04.07.2022

Wohnen

Villa Landhuis und der Pflegecampus De Korenbloem

Ein weißes, mehrstöckiges Gebäude mit Balkon im ersten Stock und flachem Dach, die Villa Landhuis, links dahinter im Hintergrund ein weiteres, weißes Gebäude, im Vordergrund ein braun-grüner Hügel, seitlich Bäume ohne Blätter. Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten, Pflegegebäude für VZW De Korenbloem, Kortrijk, Foto: Stijn Bollaert
Foto: Stijn Bollaert

Das Architekturstudio Jan Vermeulen hat in Zusammenarbeit mit Tom Thys Architecten, beide mit Sitz in Brüssel, den Hauptpart eines innovativen Pflegecampus im westflandrischen Kortrijk fertiggestellt. Sergison Bates Architects aus London war das dritte in das Gesamtprojekt eingebundene Büro. Es hatte schon zwei Jahre zuvor den ersten Bauabschnitt der Einrichtung vollendet. Zu den beiden Bauabschnitten gehören jeweils ein historischer Villenbau und ein angegliederter Neubau.

Offizieller Ausgangspunkt

Schon im Jahr 2012 hatte die flämische Regierung beschlossen, eine innovative Pflegeinfrastruktur aufzubauen. Fünf interdisziplinäre Designteams wurden im Rahmen eines Wettbewerbs ausgewählt, um Pflegemodelle der Zukunft zu entwerfen. Das Team aus Studio Jan Vermeulen, Tom Thys Architecten und Sergison Bates Architects wurde für das Projekt De Care Campus De Korenbloem berufen. Sie übernahmen damit die Planung eines Pilotprojektes, in dem neue Modelle des kollektiven Wohnens für pflegebedürftige Bewohner erprobt und Strategien zur Unterstützung ihrer Selbstständigkeit entwickelt werden sollten. Integration in die bestehende Nachbarschaft war ein weiteres Thema. Konkreter Auftraggeber des Pflegecampus war die Vereniging zonder winstoogmerk (VZW) De Korenbloem. Das ist eine gemeinnützige Organisation, die mit Planern und Designern Gesamtkonzepte für verschiedene Pflege- und Wohnformen entwickelt.

Blick auf ein weißes Gebäude mit drei Stockwerken, mit vorgelagerten Balkonen auf der gesamten Länge des Gebäudes. Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten, Pflegegebäude für VZW De Korenbloem, Kortrijk, Foto: Stijn Bollaert
Fotos: Stijn Bollaert
Schräger Blick auf die Fassade eines dreistöckigen, weißen Gebäudes mit vorgelagerten Balkonen auf der gesamten Breite des Gebäudes, dem Neubau, der an die Villa Landhuis in Kortrijk angeschlossen ist. Stijn Bollaert

Masterplan

Der Masterplan für De Care Campus De Korenbloem schafft ein Betreuungsnetz, das die Beziehung zur Nachbarschaft stärkt. Dafür plante man neunzig neue Wohneinheiten und zusätzliche Sozial- und Nachbarschaftsdienste, die zwei Bauensembles aufnehmen. Beide Terrains besaßen jeweils eine historische Villa. In diesen Bauten wird nun die Tagesbetreuung angeboten. Die neuen Bauabschnitte nehmen Wohneinheiten und Gemeinschaftsräume auf. Die Bestandsgebäude und die Neubauten sollten einen Cluster mit eigener Identität bilden. Das Studio Jan Vermeulen entwickelte in Zusammenarbeit mit Tom Thys Architects das Gebäudeensemble um die Villa Landhuis im Park, während Sergison Bates Architects das Projekt um die Villa Portiek an der nahe gelegenen Dorfkirche von Kortrijk gestaltete.

Blick auf ein historisches Gebäude, die Villa Landhuis, davor mehrere kahle Bäume, rechts an das Gebäue ist ein Neubau angeschlossen. Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten, Pflegegebäude für VZW De Korenbloem, Kortrijk, Foto: Stijn Bollaert
Fotos: Stijn Bollaert
Blick auf die Verbindungsstelle der historischen Villa Landhuis und dem Neubau, beide Gebäude in Weiß. Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten, Pflegegebäude für VZW De Korenbloem, Kortrijk, Foto: Stijn Bollaert

Historische Villa Landhuis

An der Parkseite treffen Alt und Neu aufeinander. In dieser Ansicht zeigt sich die historische Bausubstanz des Anwesens und ihre Adaption in den Neubau. Einst Wohnsitz des Gründers von VZW De Korenbloem wird die Villa heute als Ankerpunkt mit Gemeinschaftseinrichtungen des Campus genutzt. Gebaut wurde sie 1860 von Bruneel de Montpelier im Stil des Klassizismus. Im Laufe der Geschichte gab es Umbauten, Erweiterungen, Entkernungen. Die Architekten und das Designteam entdeckten hier großzügige und repräsentative Räume wieder, die einst Kulisse für ein aristokratisches Familienleben waren. Nach dem Vorbild Palladios und seiner Villen wurden die Beziehungen zwischen den Räumen entlang der beiden Hauptachsen der Villa herausgearbeitet und zur umgebenden Landschaft hin geöffnet. Die Räume wurden als „kleine Welten“ gestaltet. Sie sind verbunden, haben jedoch alle eine individuelle Atmosphäre. Ihren schutzbedürftigen Bewohnern bieten sie ein kompaktes, tägliches Lebensumfeld.

Blick auf einen länglichen Balkon, mit schwarzem Geländer und weißen Rundpfeilern. Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten, Pflegegebäude für VZW De Korenbloem, Kortrijk, Foto: Stijn Bollaert
Fotos: Stijn Bollaert
Blick auf das Verbindungsstück zwischen Neubau und historischer Villa Landhuis, beides weiße, mehrstöckige Gebäude. Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten, Pflegegebäude für VZW De Korenbloem, Kortrijk, Foto: Stijn Bollaert

Neuer Nachbar der Villa Landhuis

Das architektonische Bindeglied zwischen Villa Landhuis und Neubau ist ein zweigeschossiger Gartenraum. Der dreigeschossige Neubau besteht aus vier abgestuften Baukörpern. Sie lehnen sich im Maßstab an die Villa an und vermitteln zwischen der Straße und dem Landschaftsgarten. Die Fassade des Neubaus ist von der klassizistischen vertikalen Gliederung der Villa Landhuis inspiriert. Elemente klassischer Strukturen von Villen und Gartenhäusern wie Balkone, Pergolen, Vordächer und Gartenzimmer sind kennzeichnend. Mit ihnen wird der Brückenschlag zur Historie geschaffen. Als Baustoff der Moderne tritt Beton hervor. Sichtbar ist er im Bereich Vordächer und Terrassen, die den Bewohnern einen geschützten Blick in die Gartenlandschaft ermöglichen. Die Säulenstellung der Balkone zur Parkseite ist feingliedrig und rhythmisch. Sie erinnert noch einmal an Andrea Palladio und seinen Ideen zum Villenbau.

Situationsplan, Zeichnung: Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten
Situationsplan, Zeichnung: Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten
Grundriss Erdgeschoss, Zeichnung: Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten
Grundriss Erdgeschoss, Zeichnung: Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten
Grundriss erstes Geschoss, Zeichnung: Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten
Grundriss erstes Geschoss, Zeichnung: Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten
Aufriss Südfassade, Zeichnung: Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten
Aufriss Südfassade, Zeichnung: Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten
Aufriss Westfassade, Zeichnung: Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten
Aufriss Westfassade, Zeichnung: Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten
Schnitt, Zeichnung: Studio Jan Vermeulen i.c.w. Tom Thys Architecten

Wohnen und leben in Gemeinschaft

Die Parzellierung der Wohneinheiten und die Bemessung der Gemeinschaftsräume ist Ergebnis der Bedarfsermittlung. Die Wohneinheiten sind klein, die Gemeinschaftsräume offener, größer. Es gibt Methoden, um das Fortschreiten von Demenz erträglicher zu machen. Dazu gehört, die Beziehung der Betroffenen zu Gegenständen, Routinen und der Umwelt zu stärken. Durch die Reduktion des Lebensumfelds auf „kleinere Welten“ wird der Erkrankte in seiner Wiedererkennung von Gewohntem unterstützt. Dementsprechend verbindet das Projekt die Kleinräumigkeit und Intimität des Wohnens mit effizienten Raumlösungen, die man im täglichen Betrieb von Pflegeinfrastrukturen braucht. Das Gebäudeensemble um die Villa Landhuis wird so zu einem Netz kleiner Lebensräume, in denen sich die Bewohner in einer geschützten und betreuten Umgebung frei bewegen können. Ihre individuellen oder gemeinschaftlichen Wohnbedürfnisse stehen im Mittelpunkt. So können sie körperlich und geistig gesünder leben als in traditionellen Einrichtungen.

Weitere Projekte in Flandern: In Gent bauten TRANS Architekten das Gelände der Werkstätten für behinderte Menschen Ryhove um. Des Weiteren steht im belgischen Dorf Zarren eine Grundschule von Felt Architekten, die der hochgelobten flandrischen Gegenwartsarchitektur einen ganz neuen Spin verleiht.

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