18.01.2024

Wohnen

Soziale Räume durch Diversität

Ziegel
In den Gebäudeteilen Taylor Court, Chatto Court und Wilmott Court von Henley Halebrown entstanden insgesamt 45 neue Wohnungen. Foto: Nick Kane
In den Gebäudeteilen Taylor Court, Chatto Court und Wilmott Court von Henley Halebrown entstanden insgesamt 45 neue Wohnungen. Foto: Nick Kane

Die Wohnprojekte Taylor Court, Chatto Court und Wilmott Court von Henley Halebrown in London wurden mit dem Civic Trust Award 2022 ausgezeichnet. Mehr über das Projekt hier.


Das Fundament der Gesellschaft

Es sei ein kühnes und ehrgeiziges Projekt, das vom Londoner Stadtbezirk Hackney in Auftrag gegeben wurde und das Beste des sozialen Wohnungsbaus darstelle, urteilte die Jury des Civic Trust Awards 2022 über das Gebäudeensemble Taylor Court, Chatto Court & Wilmott Court in London und verlieh Henley Halebrown den National Panel Special Award. Der Preis belegt, dass das Londoner Architekturbüro mit seiner Philosophie auf dem richtigen Weg ist. Denn für Henley Halebrown bilden Gebäude das Fundament der Gesellschaft: „They are our homes, they provide a setting for the health service, the education of our children and young people, and the arts. Equally they are the instruments of commerce. In each case the architecture is a catalyst for social interaction and personal endeavour. First and foremost, we consider this our responsibility.“

Foto: Jim Stephenson
Fotos: Jim Stephenson
Der Gebäudekomplex entstand am Rande der Nachkriegssiedlung Frampton Park Estate in London.
Foto: Jim Stephenson

Bauprojekt Taylor Court, Chatto Court und Wilmott Court

Dieser Verantwortung sind sie im am Rande der Nachkriegssiedlung Frampton Park Estate in London einmal mehr nachgekommen. In den Gebäudeteilen Taylor Court, Chatto Court und Wilmott Court entstanden dort 45 neue Wohnungen. Die Bebauung wurde durch den Abriss des ehemaligen Frampton Arms Pubs, sowie des Lyttelton House – ein kleines Gebäude mit sechs Wohnungen, die jedoch nicht mehr den modernen Anforderungen entsprachen – möglich. An ihrer Stelle entwickelten Henley Halebrown drei Gebäudekomplexe, die zeitgleich entstanden, jedoch individuell auf den Kontext und das benötigte Programm reagieren. Dabei vermitteln sie zwischen der Nachkriegssiedlung und der viktorianischen Straße. Dies gelingt unter anderem durch teils poröse Raumkonstellationen auf Erdgeschossniveau.

Foto: Nick Kane
Foto: Nick Kane

Die Wand als sozialer Raum

Das Zusammenfügen mehrere Elemente diente den Architekten auch als Entwurfsimpuls. Sie arbeiteten mit zwei unterschiedlichen architektonischen Traditionen: eine, bei der die Wand dazu dient Räume in monolithischen Formen zu begrenzen, und die andere, bei der Rahmen verwendet werden, um Raum zu schaffen. Henley Halebrown verstehen die Wand selbst als einen sozialen Raum und als aktiven Teil einer Architektur, die auf die Gemeinschaft reagiert. Dazu entwarfen sie beispielsweise Loggien und großzügige Balkone für die Bewohner. In diesem Zwischenraum werden nicht nur die Umgebung, die Jahreszeiten und das Wetter erfahrbar. Die geschichteten Ziegelwände dienen auch als Puffer zwischen dem privaten Bereich des Hauses und dem öffentlichen Bereich des Stadtbezirks.


Diverse Mischung

Das Thema des sozialen Raumes und wie dieser produziert werden kann, zieht sich auch durch andere Aspekte der Architektur. Durch eine diverse Auswahl an unterschiedlichen Wohntypologien versuchten Henley Halebrown beispielsweise die Zugehörigkeit und dadurch auch die Verantwortung für den eigenen Wohnort zu fördern. In den ingesamt fünfgeschossigen Gebäuden Taylor Court und Chatto Court finden sich in den beiden unteren Stockwerken straßennahe Stadthauswohnungen, während in den oberen Stockwerken Maisonette-Duplexwohnungen angeordnet sind. Die beiden Häuser sind im Erdgeschoss über ein Eingangsportal unter einem offenen Rundbogen verbunden. Hier entstehen interessante Durchblicke zum angrenzenden Quartier und eine klare Adressbildung wird ermöglicht.

Foto: Nick Kane
Fotos: Nick Kane
Die Architekten entwarfen Loggien und großzügige Balkone für die Bewohner.
Foto: Nick Kane

Keine gleichförmige Identität

Wilmott Court setzt sich aus Wohnungen zusammen, die um eine dreistöckige Halle herum angeordnet sind. In den beiden oberen Etagen öffnet sich die Halle zu einem Innenhof, um den wiederum acht Häuser gruppiert sind. Gemeinschaftsräume in unterschiedlicher Größe und Formensprache ergänzen das Raumprogramm. Diese Vielfalt an Unterkünften sorgt für Abwechslung innerhalb der Gebäudevolumen. Statt gleichförmiger Anonymität, wie sie oft im Sozialen Wohnungsbau und Massenunterkünften anzutreffen ist, erhoffen sich die Architekten durch die Gestaltungsdetails eine persönlich aufgeladene Nachbarschaft.

Foto: Nick Kane
Fotos: Nick Kane
Foto: Nick Kane
Foto: Nick Kane

Subtile Details

Die Vielfalt nach innen kontrastiert mit einer einheitlichen Gestaltung nach außen. So verwendeten Henley Halebrown für alle drei Häuser handgefertigten Backstein und rot pigmentierten Unterputzmörtel. Trotz einer räumlichen Distanz zwischen dem Ensemble Taylor Court/Chatto Court und Wilmott Court sind die Gebäude anhand ihrer gestalterischen Handschrift als Einheit erkennbar. Als Reminiszenz an das Quartier Hackney wählten die Planer subtile Details. Dazu zählt zum Beispiel die bereits erwähnte Bogenbrücke zwischen Taylor Court und Chatto Court am ehemaligen Standort des Frampton Arms Pub. Weiterhin resultiert der keilförmige Grundriss des Gebäudes Wilmott Court aus der historischen Krümmung des Straßenverlaufs. Dadurch wird die städtebauliche Struktur aufgegriffen und die Lesbarkeit des Gebäudes verbessert.


Ein Vorzeigeprojekt?

Die gestalterische Qualität geht mit erschwinglichen Wohnungspreisen einher. Dies wurde durch das ehrgeizige Wohnungsbauprogramm des Stadtrats von Hackney möglich, in dessen Rahmen Hunderte neuer Sozialwohnungen gebaut werden sollen. Dabei standen keine staatlichen Mittel zur Verfügung. Vielmehr gelang die Finanzierung des Gesamtprojektes über den direkten Verkauf einiger Wohnungen. Dieses innovative, nicht gewinnorientierte Konzept und die qualitätsvollen Räume begeistern in Zukunft hoffentlich nicht nur die Jury des Civic Trust Awards, sondern die gesamte Bewohnerschaft.

Mehr sozialer Wohnungsbau: Das Architekturstudio Atelier Archiplein hat im Auftrag der Stiftung Nicolas Bogueret in Genf einen Block mit zehn Sozialwohnungen gebaut.

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