23.01.2024

Öffentlich

Heilbronn und das große Experiment

Bildungsbauten
Das Science Center Experimenta besteht aus dem Hagenbucher-Speicher von studioinges und einem spektakulären Neubau von Sauerbruch Hutton. Foto: Experimenta
Das Science Center Experimenta besteht aus dem Hagenbucher-Speicher von studioinges und einem spektakulären Neubau von Sauerbruch Hutton. Foto: Experimenta

Noch bis 2009 war es eine städtebauliche Einöde in der Heilbronner Bahnhofsgegend. Heute ist es ein lebendiger Besuchermagnet für Menschen aller Altersklassen: das Science Center Experimenta. Lesen Sie hier mehr über die Verbindung des Bestandsgebäudes „Hagenbucher“ von studioinges und einem spektakulären Neubau von Sauerbruch Hutton.


Zusammenspiel von Alt und Neu

Die zweiteilige Anlage ist Ergebnis eines umgestalteten und erweiterten Bestandsbaus und eines markanten innovativen Neubaus – ihr Zusammenspiel ist mittlerweile zu der Architekturikone des Neckarstädtchens avanciert. Das neue Layout des Bestandsgebäudes, des sogenannten Speichergebäudes „Hagenbucher“ stammt von dem Berliner Büro studioinges. Die markante Raumspirale, der Neubau des Science Center mit Ausstellungsfläche, Vortragssälen und Gastronomie haben Sauerbruch Hutton entworfen. Seit 2019 werden beide Gebäude als Bildungseinrichtung, als interaktives Wissenschaftsmuseum genutzt.

Das Science Center Experimenta besteht aus dem Hagenbucher-Speicher von studioinges und einem spektakulären Neubau von Sauerbruch Hutton. Foto: Experimenta
Foto: Experimenta
Dynamische Raumspirale der Experimenta - Neubau von Sauerbruch Hutton.

Avantgardistische Raumspirale trifft auf Backsteinarchitektur aus den 1930er-Jahren

Auf dem Gelände der Experimenta trifft nun dynamische Baukunst aus Glas und Stahl auf eine historische Nutzarchitektur, auf den Ölsaatenspeicher „Hagenbucher“.  Erbaut mit einem Tragwerk aus Stahlbetonskelett, mit einer Backsteinfassade und Industriesprossenfenstern verkleidet ist der Speicherbau ein Beispiel für die Industriearchitektur des frühen 20. Jahrhunderts. Im Fokus des Entwurfsprozess von studioinges stand das Aufspüren und Verstärken der städtebaulichen Qualitäten dieses Ortes im Stadtgefüge. Das städtebauliche Ziel lautete, die besondere und solitäre Ausstrahlung des „Hagebucher“ als Erbe der alten Bebauung der Kraneninsel nicht zu konterkarieren, sondern sie zu stärken und ihre Bedeutung zu unterstützen.

Der „Hagenbucher“ wurde zweimal umgebaut, das zweite Mal in den Jahren zwischen 2014 und 2019, um ihn auf die Funktionen des Neubaus von Sauerbruch Hutton abzustimmen. Im „Hagebucher“ findet sich heute das Forum, in dem Besucherinnen und Besucher Informationen über aktuelle Themen aus Wissenschaft und Forschung einholen können. Dazu gibt es hier einen Maker Space, der Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit verschiedenen Werk- und Projektbereichen einen Ort zum eigenständigen Gestalten bietet. Studioinges erhielt den Auftrag für den zweiten Umbau als Direktbeauftragung von der Dieter Schwarz Stiftung.

Backsteinfassde des Anbaus vom "Hagebucher" von studioinges mit Blick auf die Raumspirale von Sauberbruch Hutton. Foto: Experimenta
Foto: Experimenta
Backsteinfassde des Anbaus vom „Hagebucher“ von studioinges mit Blick auf die Raumspirale von Sauberbruch Hutton.

Prägnante Raumspirale mit Heilbronner Perspektiven

2013 gingen Sauerbruch Hutton mit ihrem Entwurf als Sieger aus dem Wettbewerb für den Neubau der Experimenta hervor. Steht das Bestandsgebäude „Hagebucher“ mit seiner Backsteinfassade für Solidität und Erdung, so kennzeichnet den Neubau eine sehr bewegte Struktur aus Glas und Stahl. Sein prägnantestes Element ist die den gesamten Baukörper von unten nach oben durchlaufende Raumspirale. Durch die Fenster des großzügig verglasten Spiralwegs ist der Blick auf die Umgebung freigegeben. Der Ausblick reicht über die Stadt- und Naturräume, den Flussraum des Neckar, die Türme der Altstadt von Heilbronn bis zu den fernen Weinbergen und Tälern. Auf der ansteigenden Spirale begegnen die Besucherinnen und Besucher außerdem den naturwissenschaftlichen Themenwelten, die ForscherLand, WeltBlick, KopfSachen und StoffWechsel heißen und einer interaktiven Nutzerstruktur folgen: Hier heißt es mitmachen. Dazu gibt es Studios und ein Forum.

Modell der experimenta. Foto: Sauerbruch Hutton
Foto: Sauerbruch Hutton
Modell der Experimenta.

Dynamisches Tragwerk

Die Konzeption des Baus als Transformationsspace zwischen Ausstellung und Erlebniswelt führt zu einem Tragwerk der besonderen Art. An den Fassaden der Ausstellungsetagen fallen die großen Fachwerkträger auf, die die dahinter liegenden Ausstellungsbereiche umschließen. Im Bereich der Raumspirale hingegen ist die Konstruktion fast abwesend. So experimentell wie das Museum selbst, so war auch die Arbeitsmethode der Architekten, wie Matthias Sauerbruch erklärt: „Experimentieren wurde hier auch zum architektonischen Prinzip. Dies zeigt sich zum Beispiel an der Konzeption der sogenannten Studios. Sie sind in das Zentrum der Spirale als vier raumgroße Glaskörper eingehängt und bilden den leuchtenden Kern dieses kristallinen Gebäudes. Diese Konstruktionen gehen an die Grenzen des Machbaren.“


Pentagonale Grundrisse

Das ganze Haus steht auf einem zentralen Betonkern und nur sieben vertikalen Stützen, an denen die sich überlagernden Fachwerkträger „aufgefädelt“ sind. Die Decken der großen Spirale sind von den jeweils darüber liegenden Trägern mit schlanken Hängestützen abgehängt. So entstand ein dynamisches Alternieren von Trägern und Stützen mit großen Spannweiten und kühnen Auskragungen. Neben dem expressiven Tragwerk sind es die aus dem Grundstück entwickelten pentagonalen Grundrisse, die dem Bauwerk seine charakteristische Form geben. Diese Fünfeck-Formen werden bis in den Mikromaßstab von Oberflächen und Ausstattungsgegenständen fortgesetzt. Eine Ausnahme bildet der Kuppelraum des Science Dome, der in die Erde „eingegraben“ ist, um sein großes Volumen in die Gesamtkomposition der Anlage harmonisch zu integrieren. Seine Form ist ganz aus der Funktion als 360-Grad-Kuppeltheater entwickelt.

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