Tadao Ando

Die Serie „Archipedia“ ist eine Kooperation des Baumeister und der Hochschule Bochum, Fachbereich Architektur. Studierende des Master-Studienganges „Architecture Media Management“ schreiben virtuelle Briefe an die Crème der Architekturwelt, hier an den Pritzker-Preisträger Tadao Ando.

Lieber Tadao Ando,

als ich während des Studiums Ihrer Bauwerke und Ihrer Architekturauffassung auf Ihren Lebenslauf aufmerksam wurde, habe ich nicht schlecht gestaunt. Das nenne ich mal einen Quereinstieg! Während sich die Menschen in Deutschland lauthals darüber ärgern, dass das gute alte Diplom abgeschafft wurde und in Europa heiß über den Bologna-Prozess diskutiert wird, arbeitet einer der angesehensten Architekten der Welt und Pritzker-Preisträger von 1995, ohne je studiert zu haben. Und das erfolgreicher denn je. Da fragen wir uns natürlich: Wie ist das möglich?

Während hierzulande ein abgeschlossenes Studium, zwei Jahre Berufserfahrung und der Eintrag in die Architektenkammer von Nöten sind, damit der Titel „Architekt“ getragen werden darf, leiten Sie bereits seit 1969 erfolgreich Ihr eigenes Büro in Osaka, wo Sie 1941 geboren wurden. Was also braucht es, um sich als Autodidakt das nötige Wissen anzueignen, einen solchen Beruf ungelernt auszuüben? Über Sie ist zu lesen, dass besonders die Erfahrungen, die Sie als Profiboxer gemacht haben, Sie in Ihrem Leben beeinflusst haben. Dabei scheint es zunächst, als hätte dieser Sport rein gar nichts mit Architektur zu tun, aber manchmal sind es gerade diese Dinge und Umwege im Leben, die einen weiterbringen. Welchem Architekten könnten Konzentration, Selbstbeherrschung und Kampfgeist nicht helfen? Häufig kommt es darauf an, sich zu fokussieren, für die eigenen Ideen einzustehen und zu kämpfen.

Bei Ihrer Architektur konzentrieren Sie sich im Wesentlichen auf die Aspekte Natur, Geschichte, Tradition und Gesellschaft. Wie diese Elemente zusammenspielen, haben Sie durch gute Beobachtung in Osaka gelernt. Menschen und ihre Bedürfnisse mit der Natur in Einklang zu bringen, hat in der japanischen Architektur eine große Bedeutung. Ihr Studium besteht aus physischer Erfahrung und nicht aus akademischer Lehre. Vier Jahre – von 1965 bis 1969 – haben Sie die Welt bereist, um Architektur zu verstehen. Auf dieser Reise sind Sie mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Moskau gefahren, haben verschiedene europäische Hauptstädte besucht, den indischen Ozean und den Ganges gesehen. Eine Zeit, um die Sie gewiss viele Menschen beneiden und die deutlich macht, dass Orte und Menschen selbst zu erleben lehrreicher sein kann, als viele Stunden in Hörsälen.

Neben den wenigen Materialien wie Holz, Glas und Beton, auf die Sie sich konzentrieren, öffnen sich Ihre Gebäude dem Himmel. Sie selbst sagten: “Um die grundlegende Eigenschaft von Architektur als einem umschlossenen Gehäuse zu umgehen, stütze ich mich auf den Himmel als das natürliche Element, das den architektonischen Innenraum am stärksten bestimmt.“

Diese Haltung ist nicht nur im Row House und in der Kirche des Lichts in Osaka zu erleben, sondern auch im japanischen Pavillon auf der Expo 1992 in Sevilla. Eindrucksvoll finde ich, wie konsequent Sie eine ganz eigenständige Architektur entwickelt haben. Erstaunlich, wie es möglich ist, sich ohne ein Fachstudium, das kulturelle und technische Wissen anzueignen. In Ihrer Biographie zeigt sich, dass nicht die Diskussionen über Creditpoints entscheidend sind. Manchmal ist der beste Lehrer das Leben selbst.

Liebe Grüße,

Laura Heidelauf

Biographische Daten Tadao Ando

1941 Geboren in Osaka, Japan
1958 Beginn seiner Karriere als Profiboxer
1965-1969 autodidaktische Architekturausbildung, Reisen in die USA, Europa, Afrika
1969 Gründung seines eigenen Büros in Osaka. Tadao Ando Architect & Associates
1976 Fertigstellung des Row House in Sumiyoshi. Erstes größeres Gebäude Andos
1979 Verleihung des Jahrespreises des Architectural Institute of Japan, weitere Preise folgen.
1987 Beginn einer Reihe von Gastprofessuren an Universitäten, beispielsweise an Yale und Columbia
1992 EXPO 92, Japan-Pavillon, Sevilla
1995 Verleihung Pritzker-Preis, USA
1997 Ehrenmitgliedschaft im Bund Deutscher Architekten BDA
2004 Sammlung Langen, Hombroich
2007 Start des Projektes Umi-no-Mori „Meereswald“ in Tokyo
2010 Steinskulpturenmuseum der Fondation Kubach-Wilmsen in Bad Münster am Stein

Wichtigste Texte

Ando, Tadao, architecture and spirit, Gili, Barcelona, 1998
Die Farben des Lichts, Tadao-Ando-Architektur, Phaidon, Berlin, 2000
Tadao Ando – Light and Water, Birkhäuser, Basel, Berlin, 2003

Weiterführende Literatur 

Dal Co, Francesco, Tadao Ando complete works, Phaidon, London, 2000
The Chichu Art Museum. Tadao Ando builds for Walter De Maria, James Turrell and Claude Monet, 2005
* 1941. Die Geometrie des menschlichen Raums. Taschen Verlag, Köln, 2006
Jodidio Philip, Ando, Complete Works (Jumbo), Taschen Verlag, Köln, 2007

Weiterführende Weblinks

www.tadao-ando.com
www.pritzkerprize.com
www.andotadao.org

Porträt: Christopher Schriner

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