15.02.2023

Hotel

Unterwegs im Sweets Hotel Amsterdam

Meeuwenpleinbrug beim Sweets Hotel, Foto: Mirjam Bleeker
Meeuwenpleinbrug beim Sweets Hotel, Foto: Mirjam Bleeker

Mit dem Sweets Hotel wurde in Amsterdam ein außergewöhnliches Hotelkonzept ver­wirklicht. Die ortsansässigen Architekten Space & Matter haben 28 teilweise historische Kanalwärterhäuschen saniert, die über die Stadt verstreut sind. Unser Autor übernachtete in einem Haus von 1969 an der „Meeuwenplein“­-Brücke.

Die Kulturmanagerin Suzanne Oxenaar eröffnete vor Jahren in Amsterdams Östlichem Hafengebiet das Lloyds Hotel. Das Gebäude, in dem einst ost­europäische Juden auf ihre Schiffsreise ins ameri­kanische Exil gewartet hatten, bevor dort die Gestapo einzog, wurde von MVRDV großzügig zu einem einzigartigen Hotel umgebaut. Oxenaar hatte wenig später das Konzept für ein Designhotel am touristischen Damrak abgewandelt. Doch der Paukenschlag sollte danach kommen.

Bridge House Meeuwenpleinbrug, von Dirk Sterenberg, Sweets Hotel, Foto: Mirjam Bleeker
Fotos: Mirjam Bleeker
Bridge House Meeuwenpleinbrug, von Dirk Sterenberg, Sweets Hotel, Foto: Mirjam Bleeker

28 Unikate von bekannten Architekten

Vor etwas über zehn Jahren wurde bekannt, dass der Personalbetrieb in den Amsterdamer Brücken­häuschen eingestellt wird, da die Hafen­verwaltung die Kanalschleusen künftig durch eine digitale Steuerung ersetzen wollte. Damit standen plötzlich 28 Wärterhäuschen zwischen dem Süden und Norden der Stadt leer. Gebaut wurden die Unikate, bis heute von den Amster­damern kaum beachtet, von 1673 bis 2009 in unterschiedlichen Stilen – sogar von bekannten Architekten wie Berlage und van Eyck. Für Oxenaar war die Um­stellung die einzigartige Chance, ihr ungewöhnliches Hotelkonzept auf ein Klientel aus­zuweiten, die neue Erfahrungen sucht und die nöti­gen Ausgaben nicht scheut. Auf jeden Fall ließ sich die Kulturmanagerin auf ein ehrgeiziges und wage­mutiges Projekt ein. Für die Sanierung und den Um­bau der Brückenhäuser zum Sweets Hotel gewann sie das Amster­damer Büro Space & Matter.

Bridge House Meeuwenpleinbrug, von Dirk Sterenberg, Sweets Hotel, Foto: Mirjam Bleeker
Foto: Mirjam Bleeker
Bridge House Meeuwenpleinbrug, von Dirk Sterenberg, Sweets Hotel, Foto: Mirjam Bleeker

Das Sterenberg-Häuschen im Sweets Hotel Amsterdam

Der Umbau der Häuser, deren Äußeres erhalten bleiben sollte, stellte ganz besondere Herausfor­derungen dar. Am Beispiel des „Bridge House Meeuwenpleinbrug“, von Dirk Sterenberg 1969 am Nord­-Holland­-Kanal errichtet, lässt sich nachvoll­ ziehen, wie Space & Matter mit der beengten Ar­beitsfläche umging, um sie in ein mehr oder weni­ger behagliches Hotelzimmer zu verwandeln. Das Sterenberg­-Häuschen fasziniert durch die moderne Eleganz einer über dem Kanal schwebenden wei­ßen Kiste. Elegant ist auch das Entree, geschützt durch das auskragende Dach sowie das Fenster­band, das den Blick hinaus auf den Kanal und den Noorderpark lenkt. Zu Recht gilt das Wärterhaus mit seiner klaren Betonkonstruktion als ein gelungenes Beispiel des niederländischen Strukturalismus. Aber: Wer für eine Übernachtung im Sweets Hotel zwischen 125 Euro und 290 Euro bezahlen will, sollte wissen, worauf er sich einlässt.

Hotelzimmer im Sweets Hotel Amsterdam, Foto: Sweets Hotel
Foto: Sweets Hotel

Minimalistische Raumökonomie

Denn die Ausstattung des Sweets Hotels ist, gemessen an durch­schnittlichen Hotelzimmern, gelinde gesagt, grenzwertig. Man kann sich kaum vorstellen, dass dieser Raum im Normalfall ausreichend Platz für zwei Personen bietet. Gespart wurde an allen Ecken und Kanten. Entstanden ist eine minimalistische Raumökonomie, in der sich kaum die nötigsten Mitbringsel verstauen lassen. Die Trennwand zwischen Bad und Flur wurde aufgeschnitten, um im Zwischenraum Spiegel und Waschbecken unterzubringen. Wer in diesem Fall an Funktionalität denkt, muss schon recht fantasiebegabt sein.

Hotelzimmer im Sweets Hotel Amsterdam, Foto: Sweets Hotel
Foto: Sweets Hotel

Kuriosität im Bad

Und die Dusche? Weil die verschiebbare Duschtür eingespart wurde, tritt man nach dem Duschen auf Holzdielen und greift zum Wasserschieber, um den nassen Boden aufzuwi­schen. Eine weitere Kuriosität im Bad: eine Packung Ohropax. Die erweist sich angesichts des Lärms auf der vierspurigen Meeuwenpleinbrug als notwen­dige Bereicherung. Doch das Problem: Ohropax versagt leider bei den vibrierenden Betondecken der Brücke. Selbst die optimierte digitale Ausstat­tung macht die räumlichen Mängel nicht verges­sen. Der Frühstücks­-Service im asweets Hotel wurde, trotz des üppi­gen Preises, offenbar ein Opfer der Coronakrise. Auch daran sollte man denken. Dafür stand pünkt­lich um elf Uhr die lächelnde Reinigungskraft mit einem blauen Müllsack vor der Tür.

Noch mehr Lesestoff: Wir waren auch Unterwegs im Hotel Drei Zinnen.

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