19.08.2022

Öffentlich

Sudetendeutsches Museum München

Fassade Kultur München
Foto: Simon Kramer

Das Sudetendeutschen Museum in München von pmp architekten verspricht Heimatgefühle im Innern. Doch das scheint nur auf das Äußere zu zu treffen.

Im Herbst 2020 eröffnete das Sudetendeutsche Museum in München mit Gästen wie der Kulturstaatsministerin Monika Grütters und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Das hat seinen Grund: Impulsgeber für den Bau eines Sudetendeutschen Museums war einst Edmund Stoiber, ehemaliger Ministerpräsident des Freistaates Bayern; das Projekt ist ein Gemeinschaftliches zwischen dem Bund sowie Bayern. So zahlte der Freistaat zwei Drittel des rund 27 Millionen Euro teuren Neubaus und ein Drittel der Bund. Nachdem im Zuge des Zweiten Weltkriegs der Großteil der vertriebenen Sudetendeutschen in Bayern Zuflucht fanden, übernahm der Freistaat 1954 ihre Schirmherrschaft und erklärte sie zum „vierten Stamm“ Bayerns.

 

Foto: Simon Kramer
Foto: Simon Kramer

1.200 Quadratmeter Dauerausstellung

Als zentrales Museum dieser Bevölkerungsgruppe erzählt das Sudetendeutsches Museum München vom Leben und der Vertreibung der deutschsprachigen Minderheit aus Böhmen, Mähren und Teilen Schlesiens, der heutigen Tschechischen Republik. Über 1.100 Jahre lebten Sudetendeutsche, Tschechen und Juden hier gemeinsam. Die Kunst- und Kulturgeschichte der Sudetendeutschen veranschaulicht die Dauerausstellung auf einer Ausstellungsfläche von 1.200 Quadratmetern.

Foto: Florian Holzherr
Foto: Florian Holzherr

Sudetendeutsches Museum und der Leitbegriff „Heimat“

„Das neue Erlebnis namens Heimat“ liest man zu Beginn auf der Website des Sudetendeutschen Museum. Vor Ort in München, direkt im Eingangsbereich und von außen durch die gläserne Front gut sichtbar, leuchtet der Schriftzug „Nichts Geringeres und nichts Größeres als das Erlebnis namens Heimat.“ Das sagte der frühere tschechische Präsident Václav Havel 1997 in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag. Doch wie viel Heimatgefühl vermittelt das Sudetendeutschen Museum durch Architektur und Szenografie?

Die Sammlung ist in drei Bereiche eingeteilt. „Heimat!“, der erste Teil, skizziert die regionale, kulturelle, religiöse und wirtschaftliche Landschaft und Bevölkerung vor 1945. Teil Zwei „Das Ende der Selbstverständlichkeiten“ zeigt die politischen und sozialen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts bis hin zum Krieg und zur Vertreibung im 20. Jahrhundert. Den Abschluss bildet „Heimat?“ mit Blick auf Neubeginn und Integration der Sudetendeutschen im Westen.

Foto: Florian Holzherr

Kopfsache

Dem Münchner Büro pmp architekten gelingt es, das Sudetendeutschen Museum in die bestehende heterogene Architektur vor Ort einzubetten und zu betonen. Umgeben von einer Tankstelle, einem zwölfgeschossigen Hotelgebäude und dem etwa zehn Meter abfallenden Steilhang zum Auer Mühlbach fügt sich der Neubau an das Sudetendeutschen Haus an. Hier zeigt sich die erste Verknüpfung zwischen Architektur und Heimat. Als Kopfbau der Häuserzeile in der Hochstraße führt die Architektur des Museums die Trauf- und Firsthöhen des benachbarten Sudetendeutschen Hauses zunächst fort. Nach Süden hin erhöht sich die Firsthöhe und die Traufhöhen schließen ansteigend und bündig an diese an. Es entsteht ein kompakter, skulpturaler Bau mit Flachdach.

Auch mit dem Fassadenmaterial wollen pmp einen Heimatbezug dabei herstellen. Die Architekten entschieden sich für Kalkstein als Verkleidung und für Messing als Material für die Außenhülle. Auf diese Weise zitieren sie einerseits den für München typischen gelblichen Putz und andererseits das Sudetendeutsche Haus. Das hochwertige Material soll außerdem den Museumscharakter des Gebäudes herausstellen und die Handwerklichkeit betonen, so Architektin Julia Fritzenwenger.

Alle Fotos: Florian Holzherr

Nominierung für Sudetendeutsches Museum München zum Deutschen Naturstein Preis

Kaum überraschend ist daher der Bau für den diesjährigen Deutschen Naturstein Preis nominiert. Die Fassade ist fugenlos mit Dietfurter Kalkstein aus dem Altmühltal verkleidet. Die Platten wurden mit unregelmäßig gebrochener Linienstruktur in engen Abständen maschinell mit geringer Tiefe horizontal eingesägt und dann per Hand nachgebrochen. Diese Oberfläche unterstreicht auf diese Weise die monolithische Wirkung der Architektur.

Foto: Florian Holzherr

Auf der Hangseite verstärkt sich der skulpturale Eindruck der Architektur noch. Viele Winkel, Kanten und Fenster strukturieren das Gebäude. Eine Außentreppe entlang des Neubaus verbindet das Sudetendeutsche Museum mit dem Stadt- und Grünraum. Die Treppe ist zugleich Bestandteil des Wegenetzes in dem Landschaftsschutzgebiet am Isarhochufer. Über die Außentreppe gelangt man zudem auch auf die Terrasse des Museumscafés.

Das Sudetendeutsche Museum erweitert rückseitig das Sudetendeutschen Haus nahezu auf ganzer Länge, jedoch in der Höhe nur auf etwa zwei Drittel. In diesem Anbau befinden sich Büro- und Meetingräume, eine Bibliothek, die Garderobe und Sanitäranlangen. Neben der Terrasse des Cafés gibt es noch eine weitere Außenterrasse entlang des Anbaus.

Foto: Florian Holzherr
Foto: Florian Holzherr
Foto: Simon Kramer

Ort der Identität

Während die Architektur von außen Bezug zur Umgebung, zur ‚Heimat München‘ nimmt, stellt sich beim Besuchen der Innenräume kaum ein Gefühl von Heimat ein. Den Architekten ist es gelungen, den beengten Stadtraum für das Museum zu nutzen und ‚Heimat‘ widerzuspiegeln. Denen, die die Innenräume, die Ausstellung konzipiert haben, ist es weniger gelungen. Selbst, wenn der Bruttorauminhalt von 11.830 Quadratmeter nicht mit Exponaten überladen ist, Besucher und Besucherinnen könnten sich beengt fühlen. Über den kleinen Vorplatz und das Foyer gelangen sie zur zentralen Aufzugsanlage, um ganz oben mit dem Ausstellungsparcours zu beginnen.

Foto: Florian Holzherr
Foto: Florian Holzherr
Foto: Florian Holzherr

Dort angekommen, eröffnet sich durch ein bodentiefes Fenster die Aussicht auf München. Um einen Blick auf Frauenkirche, Alten Peter und Rathausturm zu erhaschen, müssen Besucher und Besucherinnen sich allerdings an den Rand des Fensters drängen. Auf fünf Ebenen führt ein Rundweg die Ausstellungsbesucher durch dunkle sowie verwinkelte Gänge. Der vorgegebene Laufweg zwischen Architektur und Schaukästen ist dabei wenig entschleunigend. Es gibt kaum einen Raum, der ein Verweilen zulässt – egal wie gering der Besucherandrang ist. Der Rundweg entwickelt sich spiralförmig hinab zu Café und Außenterrasse am Stadtbach.

Der thematische Schwerpunkt – Heimat finden – scheint sich im Innenraum oder vielmehr im Ausstellungsaufbau nicht widerzuspiegeln. Im Außenraum hingegen schafft der monolithische Bau eine Symbiose zwischen Alt und Neu, einen Raum für Heimatgefühle.

Rund ein Jahr nach der Eröffnung des Sudetendeutschen Museums öffnete das neue Munch-Museum in Oslo seine Türen. In der von estudio Herreros entworfenen Architektur ist mit mehr als 26.000 Werken, die weltweit größte Sammlung des norwegischen Künstlers Edvard Munch zu sehen. Mehr zu dem Bau lesen Sie hier: Munch Museum Oslo.

Alle Visualisierungen: pmp Architekten GmbH
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