18.05.2023

Öffentlich

Schulbau in Aarberg: einfach detailverliebt

Bildungsbauten Holz Nachhaltigkeit
Klare Formen, spielerische Sprache: Der Schulbau von Haller Gut Architekten stellt Design und Funktion auf eine Stufe und schafft den Kindern einen angenehmen, praktischen Ort. Foto: © Karina Castro
Klare Formen, spielerische Sprache: Der Schulbau von Haller Gut Architekten stellt Design und Funktion auf eine Stufe und schafft den Kindern einen angenehmen, praktischen Ort. Foto: © Karina Castro

Haller Gut Architekten haben mit dem Schulhaus in Aarberg in der Schweiz ganze Arbeit geleistet. Entsprechend ihrem Schwerpunkt steht das Projekt exemplarisch für die langjährige Erfahrung im Bildungsbau sowie für eine reduzierte, nachhaltige Baupraxis. Warum sich Details und Simplizität nicht ausschließen und weniger oft mehr ist, erfahren Sie hier.


Das Credo von Haller Gut Architekten: Reduktion

1976 war nicht nur das Jahr, in dem der legendäre Apple I-Computer von Steve Jobs vorgestellt und Jimmy Carter zum US-Präsidenten gewählt wurde. Sondern es war auch das Gründungsjahr von Haller Gut Architekten in Bern. Das von Roger und Christian Gut sowie Marc Haller geleitete Büro hat über die Jahrzehnte zahlreiche Bildungsbauten realisiert und saniert. Dabei spielt weder Technologie noch Politik eine raumgreifende Rolle. Das Zauberwort des Schweizer Architekturbüros lautet stattdessen Reduktion.

Nun hat sich der Stil von damals in gewissen Aspekten kaum verändert. Und das ist ein positives Urteil. So finden sich beispielsweise die markanten Fensterverschattungen im Schulhaus Cottens 1988 genauso wie im aktuellen Aarberg (2019-2022), also ganze 34 Jahre später. Bewährtes gilt es schließlich zu erhalten. Und Bewährtes findet man auch im Schulhaus Aarberg an jeder Ecke. Die Architekten haben in vielen liebevollen Details ihre Designsprache zum Ausdruck gebracht, still und bescheiden, dabei jedoch immer funktional.

Foto: © Karina Castro
Foto: © Karina Castro
Hell, strukturiert und bedacht sind die Innenräume der Schule gestaltet, in denen die Schüler künftig lernen, aber sich auch austoben können.

Sonnenschutzsegel als Stilelement

Das Gebäude hat seine Hauptfassaden entlang der Längsachse, nach Westen hin zum Fluss Alte Aare und nach Osten hin zum Schulhof der Primarschule. Das flache Satteldach ist an diesen Seiten auch über die Kubatur hinausgezogen, sodass es im Freien als Witterungsschutz nicht nur für die Fassade, sondern auch für das Fortbewegen dient. Zusätzlich dazu gibt es Sonnenschutzsegel, die vor den Fenstern heruntergelassen und von ihnen weggeklappt werden können. Sie geben der Fassade Plastizität und sorgen automatisch für ein variationsreiches, spielerisches Erscheinungsbild. Laut Haller Gut Architekten stehen sie aber auch für eine symbolische Verbindung vom Innen- zum Außenraum.

Foto: © Karina Castro
Foto: © Karina Castro
Ein äußeres Highlight ist der Sonnenschutz in Form eines Segels, das sich auch farblich an die Hauptseite des Gebäudes anschmiegt. Der Hof ist teilweise auch durch die Räume zugänglich.

Holz, sichtbar und unsichtbar

Mit der Holzfassade hat man sich bewusst für ein natürliches Erscheinungsbild entschieden, das eine Referenz auf den Grünraum und die Flusslandschaft darstellen soll. Und tatsächlich ist den Längsseiten des Schulbaus trotz der großen Glasflächen eine gewisse Natürlichkeit nicht abzusprechen. Die ebenerdigen Gruppenräume sind von außen begehbar, was eine Unmittelbarkeit von Lern- und Naturraum zusätzlich betont.

Dahinter liegen modern gestaltete Bildungsräume, die einer zeitgemäßen Schulphilosophie entsprechen. Offene Lernlandschaften, im Erdgeschoss ergänzt um Sanitäranlagen, bieten eine tabula rasa für jegliche Situationen. Im Raumprogramm gefordert wurden Gruppenräume für den Kindergarten sowie die Tagesschule. Diese Räume sind auch untereinander mit Türen verbunden, sodass gruppenübergreifende Aktivitäten auch räumlich ermöglicht werden.

Foto: © Karina Castro
Foto: © Karina Castro
Ein wichtiges Anliegen war Haller Gut Architekten der Platz: In den Räumen können sich Schüler und Kinder frei entfalten und sind flexibel anpassbar.
Grafik: © Haller Gut Architekten
Grafik: © Haller Gut Architekten
Mitten in Aaberg gelegen zeichnet sich der Grundriss durch reduzierte Strukturiertheit und Minimalismus aus, der in erster Linie einen Zweck erfüllen soll.

Funktionale und strukturierte Innenarchitektur

Im Obergeschoss befinden sich weitere fünf Klassenräume, welche durch einen Gang miteinander verbunden sind. Diese Erschließung ermöglicht einen nutzbaren Zwischenraum, der durch Nischen und Blickverbindungen in die Klassen zu ruhigem Lesen und Arbeiten einlädt. Den geringen Niveauunterschied zwischen Ost- und Westseite überwindet man gebäudeintern über einen Halbstock im unteren Geschoss. Dies lässt den Erschließungsbereich offen wirken, denn durch das Split-Level wird eine Blickbeziehung durch den Schulbau ermöglicht, von der Straße hin zum Außenbereich beim Fluss.

Die Treppenan- und austritte sind nicht wie sonst üblich mit taktilen oder neonfarbenen Streifen markiert, sondern mit in den Beton eingelegten Steinen. Ein weiteres Erkennungsmerkmal von Haller Gut Architekten, welche dieses Stilmittel in vielen weiteren Projekten integriert haben. Das dominierende Holz in der Fassade ist aber nicht nur schöner Schein, sondern entspricht tatsächlich der Tragstruktur. Dadurch wirkt das Gebäude filigraner und kleiner als sein bestehender Bruderbau. Die Innenwände sind mit lackiertem Holz verkleidet, im Obergeschoss sind die Dachbalken freigelegt und lassen die Gebäudestruktur auch räumlich wirken. Im Erdgeschoss strecken die Deckenbalken optisch die durchgesteckten Gruppenräume.

Foto: © Karina Castro
Im Gang harmoniert Holz und Beton miteinander, wobei kreisrunde Formen immer wieder Einzug in die Gestaltung finden. Die riesigen Fenster zwischen Klassenraum und Gang sind ebenfalls rund. Sie ermöglichen eine transparente Trennung von Außenbereich und Lernbereich.
Foto: © Karina Castro
Fotos: © Karina Castro
Auch das Treppenhaus in der selben Materialpalette gehalten, wodurch kleine Details wie die Treppenan- und austritte herausstechen. Die eingelegten Steine vermitteln einen handgemachten Flair.

Zurückhaltung als Anspruch

Bewusst hat man sich in der Formensprache vom Hauptgebäude auf der anderen Seite des Hans-Müller-Wegs emanzipiert, sodass der Schulbau von Haller Gut Architekten als eigenständiges Bauwerk gelesen werden kann. Und das ist gut so, ist es schließlich ein Vorzeigeprojekt für einen Neubau in mehrerer Hinsicht. Das liegt zum einen daran, dass das Gebäude in seiner technischen und strukturellen Reduktion stark wirkt. So wird der Ressourcenschonung Rechnung getragen, ohne sie zum Nachhaltigkeitsvehikel zu degradieren.

Zum anderen liegt es an der Atmosphäre, die sie mit einfachsten Mitteln erschafft. Etwas wegzunehmen, sei es räumlich, programmatisch oder funktional, ist eine schwierige Aufgabe und die Kür in unserer Gegenwart, in der ein Mehr immer noch viel zu oft mehr zu sein scheint. Durch die Zurückhaltung der Architekten haben sie sich erst recht einen Gefallen getan, und damit auch den Nutzerinnen und Nutzern des Schulbaus in Aarberg. Diese haben mit dem Neubau eine Spielwiese erhalten, welche auch die kommenden Jahrzehnte an pädagogischer Entwicklung mittragen kann.

Foto: © Karina Castro
Foto: © Karina Castro
Durch die strenge aber spielerische Einfachheit in der Gestaltung hebt sich der Schulbau im Ort ab, ohne störend zu wirken. Auch an der Fassade begegnen den Betrachter wieder das Mittel der eingelegten Steine, sowie kreisrunde Formen. Überzeugend ist dabei der Aspekt der Nachhaltigkeit, der die starke Reduktion bedingt.

Schule geht aber auch anders! Eine quasi materialistische Antithese zum Holzbau von Haller Gut Architekten findet sich im Belgischen Zarren: Hier haben FELT Architekten bei einem Schulbau Stahl und gefärbtem Beton die Hauptrolle zugesprochen.

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