12.01.2022

Architektur Wohnen

Ein Haus im Haus von Raamwerk

Das Einfamilienhaus Halewijnkouter von Raamwerk in Drongen

Das Einfamilienhaus Halewijnkouter von Raamwerk in Drongen

Wie eine Gardine umhüllen die Außenmauern eines Werkstattgebäudes den Neubau eines Einfamilienhauses des Büros Raamwerk im belgischen Drongen. Ganz selbstverständlich fügt sich das neue Haus nun in die alte Hülle ein und nutzt sie auf intelligente Weise um.

 

Foto: Stijn Bollaert

 

Beim Bau eines Einfamilienhauses in Drongen, einem Stadtteil von Gent, sollten Grundmauern einer alten Schreinerei erhalten bleiben, die auf dem Bauplatz standen. Vor dieser Aufgabe stand das Büro Raamwerk bei ihrem Projekt Halewijnkouter. Hinter den zweigeschossigen, weissgestrichenen Mauerresten des Werkstattgebäudes verbirgt sich heute ein Einfamilienhaus. Die Außenmauern des Altbaus umhüllen den Neubau wie eine weiße Gardine. Sichtbar wird der neue Baukörper nur dort, wo der Bestand Öffnungen besitzt. Dadurch ist dieses Haus-im-Haus ist auf den ersten Blick kaum zu erkennen. Erst bei genauem Hinsehen wird klar, dass die Architekten von Raamwerk einen eigenständigen Baukörper im alten Grundriss untergebracht haben.

 

Das Einfamilienhaus Halewijnkouter von Raamwerk in Drongen
Foto: Stijn Bollaert

Alte Schreinerei, neues Wohnhaus

Die alte Schreinerei bestand aus einem zweigeschossigen Hauptbau und einem angrenzenden Schuppen. Letzterer ist heute in ein geschützter Freibereich direkt am Wohnhaus, der der Familie als Gartenersatz dient. Das alte Gebäude der Schreinerei verlor beim Umbau alle Innenwände und Böden. Lediglich die Außenwände ließ das Büro Raamwerk stehen. Die Bodenplatte des entkernten Bauwerks trägt nun das leicht gebaute Einfamilienhauses. Dagegen dienen alten Außenwände den Bewohnern des Hauses als Schutzschirm. Sie schützen vor Blicken von Nachbarn und Passanten, aber auch vor Wind und Wetter.

 

Foto: Stijn Bollaert
Foto: Stijn Bollaert
Foto: Stijn Bollaert

Haus im Haus

 

Das neu errichtete Einfamilienhaus ist sehr einfach aufgebaut und erstreckt sich über zwei Etagen. Die beiden Geschosse besitzen jeweils zwei Räume, die an einen zentralem Versorgungskern mit Treppe und Nassräumen andocken. Dieser einfach und stringent gestaltete Grundriss nimmt präzise Bezug auf die alten Außenmauern und ihre Öffnungen. Zur Symbiose aus Alt und Neu trägt auch bei, dass Raamwerk den Neubau aus den Beständen des  Holzlagers der Tischlerei errichtete. Dabei bezieht sich das Grün der Außenhaut des neuen Hauses auf die Farbigkeit der alten Werkstatttore. Aber auch das Innere des Hauses dominiert das Holz aus den Lagerbeständen. Die tiefen Fensterleibungen und sichtbaren Tragbalken bestehen aus Holz, der Boden dagegen aus dunkelgrauen Gussasphalt, auch das eine Reminiszenz an das Werkstattgebäude. Ebenso einfach hat Raamwerk auch Treppen und Sanitärräume gestaltet. Insgesamt ermöglichte der stringente Grundriss und die sparsame Konstruktionsweise ein Hausbau mit sehr begrenztem Budget.

 

Foto: Stijn Bollaert
Foto: Stijn Bollaert

Für Raamwerk ist Gestaltung ein Prozess

 

Auf räumliche und architektonische Qualität wurde bei in diesem Bauvorhaben jedoch nicht verzichtet. Sie rührt insbesondere aus dem Dialog zwischen altem und neuem Gebäudevolumen. Letztlich ist das Haus-im-Haus das Ergebnis eines intensiven Planungs- und Bauprozesses. Dabei standen für Raamwerk Fragen zum Umgang mit Bestandsstrukturen, zu nachhaltigem Bauen und Bauen mit knappen Budget im Vordergrund standen.

 

Foto: Stijn Bollaert
Foto: Stijn Bollaert
Foto: Stijn Bollaert

Ein Haus für jede Jahreszeit

 

Die Nutzung des neuen Einfamilienhauses verändert sich im Laufe eines Jahres. Je nach Jahreszeit bekommen die Innen- und Außenräume unterschiedlichen Wertigkeit. Während der Wintermonate sorgt die tiefstehende Sonne für direkten Lichteinfall in die Innenräume. In den Sommermonaten dagegen erfüllt der Altbau wie eine Gardine seine schützende Wirkung und lässt nur begrenzt Licht und Wärme ins Haus gelangen. Dafür gewinnen die Außenräume an Bedeutung. Sie erweitern den Wohnraum und werden zum Teil der Wohnfläche.

Im Hof sind noch die Spuren der alten Nutzung sichtbar. Während das Innere des Neubaus nur in seiner Materialität an die vormalige Nutzung erinnert, erzählen die Oberflächen im Hof ganz konkret von der Schreinerei. Hier sind Spuren von Nutzung, von ehemaligen Bauteilen und Anschlüssen, unübersehbar.

In Belgien versteht man etwas von Umnutzung: In Anderlecht wurde eine Kirche aus den Dreißigerjahren zu einer zeitgemäßen Schule.

 

Foto: Stijn Bollaert
Foto: Stijn Bollaert

 

Zeichnung: Raamwerk
Zeichnung: Raamwerk
Zeichnung: Raamwerk
Zeichnung: Raamwerk

 

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