Als ein “räumliches Phänomen” nämlich bezeichnet Farrell die Kunst und das Handwerk ihres Berufs, umso geehrter fühle sie sich durch die Auszeichnung mit dem Pritzker-Preis, der erstmals 1979 verliehen wurde und dessen Preisträger Namen wie Norman Foster, Rem Kohlhaas und Gottfried Böhm tragen. Damit wird zugleich deutlich, wie rar bislang Frauen an der Spitze der Geschichte des Pritzker-Preises standen. Die Zeit war und ist überreif für die Ehrung genialischer Baumeisterinnen.
Schon mehrfach wurde das Duo für seine Arbeit ausgezeichnet, jüngst mit der Royal Gold Medal 2020, der höchsten Auszeichnung für Architektur in Großbritannien. 2018 kuratierten Farrell und McNamara die Biennale in Venedig. Sie treten wie immer schon als schlaues wie bescheidenes Gespann auf, sehr wohl bewusst darüber, dass prächtige wie funktionale Gebäude in den Köpfen zweier Frauen entstehen und wachsen können, sie aber hoffnungslos verloren wären, gäbe es kein Team, das dieses Wachsen und Entstehen vollenden und umsetzen könnte.
Diese Arbeitsweise hob die Jury in ihrer Begründung hervor. Sie sprach ihr Lob für ihre Großzügigkeit gegenüber Kollegen aus, ihr unnachgiebiges Engagement, exzellente Architektur zu schaffen und gleichzeitig Gegebenheiten der Umwelt und Natur verantwortungsvoll zu berücksichtigen, ihre Fähigkeit, sowohl kosmopolitisch zu denken, als auch die Individualität jedes einzelnen Gebäudes und Ortes zu achten.
Mensch, Gebäude und Natur auf drei Ebenen
Die beiden Grafton-Architektinnen, die auch unterrichten, sind stets auf der Suche nach einer Beziehung, wenn nicht gar Symbiose von Mensch, Umwelt und Gebäude. Sie wollen Lösungen finden, um alle drei Entitäten zu integrieren – und das gelingt ihnen auch. Massive Betonkonstruktionen wie das Universitätsgebäude Luigi Bocconi in Mailand wirken neben putzig vorbei tuckernden Straßenbahnen in der Mailänder Innenstadt nicht monströs oder fehlsituiert, sondern erstaunlich abgewogen platziert.
Dasselbe gilt für den Campus der UTEC Universität Lima in Peru. Palmen umsäumen den futuristisch anmutenden Gebäudekomplex, seine Innenräume sind ein verwoben geometrisches Labyrinth. Architektur wird hier zur Skulptur, ohne ihren Zweck zu verlieren, eine Art blendend weißer Fels im Straßenverkehr. Hinter ihm liegen die Bergketten. Mensch, Gebäude und Natur sind auf drei Ebenen gestaffelt. Wie in einem wohl komponierten Gemälde.