20.11.2023

Gewerbe

Zwischen Innovation und Wabi-Sabi-Geist

Innenarchitektur
Das Pan Bistro in Mailand vereint nicht nur Bäckerei und Weinbar, sondern auch verschiedene Kulturen. Fotos: © Simone Bossi

Während noch vor einiger Zeit der morgendliche Gang zur Bäckerei ein wenig ästhetisches Erlebnis bereithielt, betören Brotmanufakturen derzeit durch ausgefeilte Gestaltungskonzepte zunehmend ihre Kunden und Kundinnen. Ein herausragendes Beispiel bietet das PAN Bistro im mailändischen Viertel Acquabella. Hier entwarf das italienische Studio Wok die moderne, offene und minimalistische Vision einer Bäckerei und Weinbar. 


Treffpunkt verschiedener Kulturen

Die Architekten von Studio Wok beschreiben in ihrer Philosophie den Lebensraum als ein Kleidungsstück, das nicht getragen, sondern erlebt werden müsse. In ihren Arbeiten versuchen sie deshalb stets die enge Beziehung zwischen Menschen, der Beschaffenheit von Orten und der Art und Weise, wie diese in ihnen leben, zu verstehen und zu fördern. Die Gestaltung des PAN sucht dabei nicht nur die Verbindung von Mensch und Ort, sondern bringt auch verschiedene Kulturen zusammen. So treffen in der Architektursprache des Bistros Japan und Mailand aufeinander. Das Konzept geht auf das Format des Ortes ein. Denn PAN vereint eine Bäckerei, eine Küche mit fein kuratierten Gerichten und eine Weinbar. Der japanische Küchenchef Yoji Tokuyoshi und seine Geschäftspartnerin Alice Yamada entwarfen diese Fusion als Treffpunkt verschiedener Kulturen und Bezugspunkt für das Viertel. 

Foto: © Simone Bossi
Fotos: © Simone Bossi
Die Architektur des Bistros bringt japanische Ästhetik nach Mailand.
Foto: © Simone Bossi

Ungewöhnliche Strenge

Die gewünschte offene und einladende Geste spiegelt die Gestaltung von Studio Wok wider. Von außen ermöglichen große Fenster aus Kastanienholz Einblicke ins Innere. Weiterhin lädt eine Außenbank Besucher und Besucherinnen aus der Nachbarschaft zum Verweilen ein. Die Gliederung der Fassade führt durch die Außenpfosten der Fenster aus verzinktem Blech jedoch zu einer ungewöhnlichen Strenge, die so sonst nicht im Viertel zu finden ist. Das PAN erweckt Aufmerksamkeit und provoziert, laut Studio Wok, einen Dialog zwischen dem häuslichen und dem städtischen Raum. 

Foto: © Simone Bossi
Fotos: © Simone Bossi
Das Matcha-Grün zieht sich als Leitmotiv durch das gesamte Lokal.
Foto: © Simone Bossi

Matcha-Grün & Glasfaser

Die Inneneinrichtung ist insgesamt zurückgenommen und setzt nur auf wenige, dafür starke Elemente. So wird die Brottheke zum wesentlichen „Protagonisten“ des Interieurs. Die Theken sind aus Glasfasergitterplatten errichtet und erstrahlen in einem auffälligen Matcha-Grünton. Matcha spielt nicht nur in der japanischen Teekultur, sondern auch in den Gerichten des PAN eine wichtige Rolle. Die Farbwahl fußt auf beiden Aspekten. In einem Interview mit Dezeen, betonen die Architekten jedoch, dass der finalen Materialwahl einige Recherche zugrunde lagen. Auf der Suche nach einem eher gering geschätzten Material, das durch eine innovative Verwendung aufgewertet werden könnte, stießen sie schließlich auf Glasfaser. In der Industrie wird Glasfaser bereits vermehrt eingesetzt, in Innenräumen kommt es jedoch kaum zur Verwendung. Für Studio Wok eine perfekte Wahl. Je nach Lichteinfall changieren die Farbnuancen der Theke. Weiterhin harmonieren sie mit der Deckengestaltung. Hier wählte Studio Wok sogenannte Noren, japanische Leinenvorhänge, die traditionelle an Eingangstüren, Innendurchgängen oder Fenstern aufgehängt werden. Im PAN entsteht aus ihnen eine schwebende, bewegliche Ebene über den Köpfen der Besucher. 

Foto: © Simone Bossi
Foto: © Simone Bossi
Fotos: © Simone Bossi
Foto: © Simone Bossi

Natürliche Materialien

Auch im Badezimmer setzt sich das grüne Thema fort. Die Wand und die Schiebetür bestehen aus einem Holzrahmen, auf dem lichtdurchlässige Platten aus gepresster Zellulose befestigt sind. Für die Architektinnen eine klare Reminiszenz an japanische Reispapierwände. Einen Kontrast zu den Grün- und Nudetönen bildet die Bartheke. Sie ist aus schwarz gebeiztem Kastanienholz gefertigt. Die eingelassenen Edelstahleinlagen wirken nüchtern. Als Wasserspender neben der Bar wird ein zerklüfteter Felsblock aus Naturstein inszeniert. Laut Studio Wok gebe er dem Raum eine fast spirituelle Atmosphäre, zelebriere die unvollkommene Schönheit und unterstreiche das Ritual des Wasserfüllens.

Foto: © Simone Bossi
Fotos: © Simone Bossi
Foto: © Simone Bossi
Foto: © Simone Bossi
Foto: © Simone Bossi
Foto: © Simone Bossi

Verweis auf die japanische Kultur

Durch die unterschiedliche Materialwahl entstehen um die Brottheke und den Bartresen zwei eigenständige Bereiche. Als verbindendes Element im Raum fungiert eine lange Holzbank, die entlang der Wand zur Straße hin verläuft. Das Bankelement vermittelt nicht nur im Innenraum, sondern stellt gleichsam wieder einen Bezug zur Außenwelt her. Insgesamt war es Studio Wok ein Anliegen, die Ansprüche der Inhaber sensibel umzusetzen. Die Verweise auf die japanische Kultur sind sichtbar – gleichzeitig findet Studio Wok dabei eine Interpretation, die Stereotype vermeidet. „The intention was to add a layer for a deeper understanding, without it becoming too invasive, working on the concept of quality, both in materials and in details.“, sagt das Studio über das Projekt. In Aquabella können die Besucher und Besucherinnen nun herausfinden, wie ihnen dies gelungen ist.

Nach dem Grundsatz „Wabi-Sabi“ der japanischen ästhetischen Kultur ist auch die Wabi-Sabi-Residenz von Sparano + Mooney Architects im Emigration Canyon in Utah entstanden. 

S
Büros
Studio Wok
Scroll to Top