15.05.2014

Öffentlich

NRW wie es leibt und lebt (mit und ohne Schweinereien)

Bekanntermaßen ist NRW ein Land der Gegensätze. Während im Pott die Menschen vor lauter Enge fast gegenseitig in ihre Currywürste oder Döner spucken, sagen sich im Münsterland, Teutoburger Wald oder Sauerland Fuchs und Hase gegenseitig gute Nacht. Was die Ruhrpöttler freilich nicht daran hindert, genau jene Regionen als Landschaften ihrer Sehnsüchte zu betrachten. Touristisch werden die grünen Lungen NRW’s denn auch dementsprechend vermarktet. Kein Dorf mehr ohne das Schild „ausgezeichnet mit der Plakette Unser Dorf soll schöner werden“. Und natürlich all die Wander-, Jogger- Mountain-Biker- und Kegelvereinsrouten, wie etwa die Route der westfälischen Wasserschlösser, die Lippische Fürstentour, der Auf-zum-Herrmann-Weg, die Flora-Fauna-Teuto-Tour oder der Fernwanderweg Rothaarsteig, um nur einige der Highlights zu nennen.

So weit alles paletti, wäre da nur nicht der Mais. Soeben sind nämlich Statistiken ans Licht gekommen, denen zufolge sich von Ostwestfalen-Lippe bis zur niederländischen Grenze im westlichen Münsterland der dichteste Maisanbau-Gürtel Deutschlands erstreckt. Maiskörner statt Korn also. Bereits bis zu siebzig Prozent der Grünflächen seien ausschließlich mit Mais bepflanzt. Wobei es vermutlich kaum etwas Erbauenderes gibt, als stundenlang durch mannshohe Maisfelder lustzuwandeln, zu joggen oder zu biken und dabei deren Artenvielfalt zu goutieren. Aber damit nicht genug. Es gebe in diesem Landschaftsgürtel auch die größte Schweinezuchtdichte in NRW, gefolgt von der größten Hähnchenmastkonzentration und so fort.

Da müsste die Touristikbranche doch eigentlich völlig aus dem Häuschen sein und gänzlich neue Zielgruppen wittern. Denn wer hätte nicht schon längst auf so attraktive Angebote wie den Mais-Fernwanderweg-Number-One, die große Schweinebauch-Crossover-Tour oder das olfaktorische Highlight eines Hähnchemmast-Parfum-Parcours gewartet?  Und für die ganz Kleinen einen Ringelschwänzchen-Reigen, obwohl die den Ferkelchen ja längst gewaltsam abmontiert sein sollen. Und zur Krönung all der auf sie einstürmenden Eindrücke darf die ganze Familie zum Abschluss dann endlich an einem der beschaulichen Gülle-Seen picknicken oder sich mit ein paar tief inhalierten Zügen regionalen Biogases in einer der gleichnamigen Anlagen dopen.

Wie sich zumindest die Sache mit den Mais-Monokulturen aber auch anders lösen lässt, das haben uns unsere niederländischen Nachbarn direkt hinter der Grenze zum Westmünsterland „erfolgreich“ vorgeführt. Um es den „Moffe“ zu zeigen, haben die „Käsköppe“ dort nämlich kurzerhand ihre Mais- und Kartoffelpflanzen rausgerissen und durch besonders regen- wie sonnenresistente Weinstöcke ersetzt. Ruckzuck sind unscheinbare holländischen Bauernkotten zu veritablen Chateaus mutiert, die sich vor degustationsbereiten Freiwilligen kaum retten können. Ob das dort angebotene Gesöff aber auch trinkbar ist, darüber schweigt sich das in Münster erscheinende Erfolgsjournal „Landliebe“ vornehm aus. So wie es aus Liebe zum Land auch keinerlei windradverspargelte Horizonte, keine Maiseinöden, keine Verschweinungen und auch nicht den infernalischen Hähnchenmast-Odor kennt, geschweige denn all die ohne Betäubung kupierten Ringelschwänzchen. That’s Dreamland NRW, wie es leibt und lebt; wie es lacht, singt, kocht, isst und trinkt.

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