Meinhard von Gerkan, ein Nachruf

Mit dem Tod von Meinhard von Gerkan ist eine der profiliertesten deutschen Stimmen in der Architektur verstummt. Der Gründer des größten deutschen Architekturbüros von Gerkan, Marg und Partner verstarb am 30. November im Alter von 87 Jahren.

Meinhard von Gerkan hat für mehr als ein halbes Jahrhundert die deutsche Architektur wie nur wenige andere mitgeprägt. Es gibt kaum ein Architekturstudio, dessen Arbeit die späte Bonner, vor allen Dingen aber die Berliner Republik so repräsentiert, wie die des Büros gmp – von Gerkan, Marg und Partner. Nun ist Meinhard von Gerkan im Alter von 87 Jahren gestorben.

Kaum mit dem Studium fertig, gewannen von Gerkan und sein Büropartner Volkwin Marg den Wettbewerb um den Neubau des Flughafens Berlin-Tegel. Ihre neuartige Konzeption, bei der vom Eingang bis zur Fluggastbrücke nur wenige Schritte zurückzulegen waren, sorgte auch international für Furore. Die Schließung des Flughafens vor zwei Jahren wird bis heute von vielen Berlinern bedauert.

Mit dem 1979 fertiggestellten Europäische Patentamt in München konnten von Gerkan, Marg und Partner einen weiteren öffentlichen Großbau realisieren. Während Flughafen und Patentamt noch ungebrochen den Geist der Moderne erkennen lassen, folgten in den Achtzigerjahren eine Reihe von Bauten, die Anklänge an einen neuen Regionalismus und ein erwachtes Interesse für klassische Typologien und Bauformen aufweisen. Beim Hanse-Viertel in der Hamburger Innenstadt etwa setzten sich die Architekten mit klassischen Passagenbauten des 19. Jahrhunderts auseinander. Zudem reagierten sie auf die Umgebung mit sorgfältig gegliederten Ziegelfassaden. Zeitweilig vom Abriss bedroht, verhinderte bürgerschaftlicher Protest und schließlich die Unterschutzstellung den Verlust des Komplexes.

In den Neunzigerjahren gewannen von Gerkan, Marg und Partner gleich mehrere wichtigste Wettbewerbe: Die neue Leipziger Messe und der neue Berliner Hauptbahnhof gehörten zu den aufwendigsten und prestigereichsten Aufträgen, die in der Folge der Wiedervereinigung vergeben wurden. Zwar veränderte Bahnchef Hartmut Mehdorn den Entwurf des Berliner Hauptbahnhofs kurz vor der Fertigstellung in einer Hauruck-Aktion empfindlich. Das verhinderte aber nicht, dass das Bauwerk zu einem Wahrzeichen der Stadt wurde. In internationalen Film- und Fernsehproduktionen diente der Bahnhof wiedererholt als Schauplatz. Stilistisch zeigten die Arbeiten von Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg in den Neunziger- und frühen Zweitausenderjahren eine technizistische Formensprache, die Parallelen in der „Hightech“-Architektur hat, wie sie etwa das Büro Foster + Partners zeitgleich vertrat.

Von Gerkan, Marg und Partner gehörte zu den ersten internalen Architekturbüros, die in China bauten. Inzwischen hat gmp dort ganze Städte realisiert und unterhält Büros unter anderem in Peking und Schanghai. Längst ist der asiatische Markt zum wichtigen Betätigungsfeld des Büros geworden. Eine große Chance nutzte gmp im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Das Büro betreute den Umbau des Berliner Olympiastadions und der Stadien in Frankfurt und Köln. Heute zählt gmp zu den profiliertesten Experten im Stadion- und Sportstättenbau. Bei den Fußball-WMs in Südafrika und Brasilien zeichnete das Büro gleich für mehrere Arenen verantwortlich.

In Deutschland haben sich die Architektinnen und Architekten von gmp in den letzten Jahren den Ruf einfühlsamer Sanierer erworben. Ihr Umbau des Kulturpalastes in Dresden wurde 2019 mit dem DAM-Preis ausgezeichnet. Auch die Isar-Philharmonie, die temporäre Spielstätte der Münchner Philharmoniker, heimste Lob von allen Seiten ein. Gerade restauriert das Büro die Stadthalle in Magdeburg, einen bedeutenden Bau der Zwanzigerjahre. Die Fertigstellung des Projekts kann Meinhard von Gerkan nun nicht mehr miterleben.