06.07.2015

Portrait

Maria Giuseppina Grasso Cannizzo

Maria Giuseppina Grasso Cannizzo

Maria Giuseppina Grasso Cannizzo

 

Seit über 40 Jahren arbeitet die Architektin Maria Giuseppina Grasso Cannizzo in ihrer Heimat Sizilien. Doch es gibt nicht viele Projekte, die sie in diesem Zeitraum hat realisieren können. Gleichwohl sind – von gängigen Architekturpublikationen weitgehend unbeachtet – außergewöhnliche Bauten von bleibendem Wert entstanden, die sich durch einen sensiblen Umgang mit dem Ort, seiner Geschichte und den Lebensgewohnheiten der Bewohner auszeichnen.


Hafen-Turm-Ragusa
Port Contol Tower Ragusa

Architektur-Baumeister-Italien

 

Maria Giuseppina macht einen sehr konzentrierten Eindruck, wenn sie über ihre Arbeit spricht. Man merkt ihr an, dass sie ihre Aufgabe als Architektin ernst nimmt und eine Verantwortung gegenüber den Bauherren verspürt. Dementsprechend viel Zeit benötigt sie für ihre Projekte – wie etwa für den vier Jahre dauernden Umbau eines Einfamilienhauses aus den zwanziger Jahren in Ragusa. Zwar liegt die Realisierung schon einige Jahre zurück, doch Maria Giuseppina selbst bezeichnet den Bau als eines ihrer wichtigsten Projekte, da sich daran ihre architektonische Haltung besonders deutlich ablesen lasse: Zunächst begann die Architektin mit einer achtmonatigen Modellbauphase, in der sie nichts anderes machte, als diesem neue Elemente hinzuzufügen und wieder zu entfernen, um es schließlich sukzessive bis auf seine Grundmauern einzureißen. Kurzerhand rückte sie allem, was ihr an diesem Bau überflüssig erschien, mit Messer und Schere zu Leibe.

Erweiterung eines Einfamilienhauses

 

Die Arbeitsmethodik der Sizilianerin mag eigenwillig erscheinen. Unterstützt wird dieses Bild auch durch ihr Auftreten und das Zele-brieren ihrer Eigenheiten: Fernab jeglicher Großstadt arbeitet sie „am Ende der Welt“ und ist selbst per Telefon nur „schwer zu erreichen“. Damit ermöglicht sie sich eine große Unabhängigkeit. Die Beharrlichkeit, mit der sie ihre Arbeit betreibt, führt zu der Suche nach einer Architektur, die nicht generisch ist, die sich weder Formen noch Bildern unterwirft oder gar eine Ikone sein will. Denn für Maria Giuseppina ist Architektur das Ergebnis aus der Analyse des jeweiligen Orts, der Bauaufgabe und der Wünsche und Vorstellungen der Bauherren.

Das führt oft zu spezifischen und gelegentlich auch radikalen Konzepten. Jedoch immer zu einem sensiblen Umgang mit Raum, Material und Licht. Zudem erhebt die Architektin mit ihren Bauwerken auch keinen Ewigkeitsanspruch. Sie akzeptiert den ständigen Wandel, den Gebäude im Gebrauch ausgesetzt sind. Das Bewusstsein um die Vergänglichkeit von Architekturen und die Überzeugung, dass das Neue das Alte niemals einfach nur nachahmen dürfe, stammen wohl aus ihren beruflichen Anfängen als Assistentin von Franco Minissi am Lehrstuhl für Restaurierung an der La Sapienza Universität in Rom. Minissi betrachtete Restaurierung nämlich nicht als historisierende Schönheitsreparatur, sondern als eine Chance, etwas Altes zu reaktivieren.

Mehr dazu im Baumeister 7/2015

Fotos: Hélène Binet

Scroll to Top