Wenn der Bundespräsident ruft, dann kommen sie. Selten zuvor sei die Anmeldequote bei einer Veranstaltung des Bundespräsidialamtes so hoch gewesen, verkündete am Freitag Joachim Gauck vor 140 Granden der deutschen Architekturwelt. Zur „Matinée zu Ehren der Architektur“ hatte der oberste Deutsche ins SchlossSchloss: Ist ein Mechanismus, zum Verriegeln oder Schließen einer Tür oder eines Fensters. Bellevue geladen. Und da waren sie dann in der Tat alle da, meist sogar im vorgeschriebenen dunklen Anzug. Vor allem natürlich Meinhard von Gerkan, Helmut Jahn und Gottfried Böhm. Ihre runden Geburtstage, sowie der des verstorbenen Frei Otto, waren der offizielle Anlass für die Einladung gewesen. Dahinter steht aber vielleicht auch das Gefühl der Bundespolitik, mal etwas für die imagemäßig doch arg gebeutelten Architekten tun zu müssen.
Das passierte dann auch. Gauck streichelte die Seelen der sensiblen Hochbauer (hier die komplette Rede). Er betonte die gesellschaftliche Bedeutung der Architektur. Plädierte für „Geborgenheit und Weite“. Redete den jungen Architekten, von denen auch ein paar da waren, Mut zu. Aus Architektensicht muss man daher sagen: Thank you Mister President.
Schön übrigens, wenn dann auch die Bauherren mal ein wenig präsidiales Fett wegbekommen. Gauck: „Kein Architekt vermag etwas ohne verständige Bauherren – und gegen die Vorschriften. Ich freue mich, dass die Bauministerin hier ist. Frau Ministerin: Ich wünsche mir, dass unsere Architekten nicht nur vorschriftsmäßig bauen, sondern auch die Freiheit zum Experiment erhalten. Gerade der öffentliche Bauherr könnte mit gutem Beispiel vorangehen, könnte neue Wege ausprobieren, kreative Lösungen ermutigen, Ungewohntem eine Chance geben.“ Das ist doch mal ein Wort.
Die Architektenschaft zeigte sich zufrieden mit den Worten Gaucks. Sie waren offenbar an der Zeit. Genau so wichtig wie Gaucks Rede ist aber vielleicht die Tatsache, dass eine Veranstaltung wie diese überhaupt stattfindet. Sie war wohl die erste ihrer Art, obgleich etwa Gaucks Vorvorvorgänger Johannes Rau durchaus als Architekturfreund galt. Doch anders als zum Beispiel Künstler oder Literaten hatte die Architekturelt – als institutionalisierter Treiber der kulturellen Weiterentwicklung des Landes – bisher noch wenig stattgefunden in den heiligen (und gestern erfreulich gut klimatisierten) Hallen von Bellevue. Das hat vielleicht damit zu tun, dass die Architektur einen Zwitter bildet aus Kulturtreiber und Berufsstand. Architektur ist eben auch ein Broterwerb für viele Menschen. Und der wird vom Bundespräsidenten nun mal nicht besonders gefeiert. Schließlich veranstaltet Gauck ja auch keine Matinée zu Ehren, sagen wir, der Bäckerzunft oder der Fliesenleger (zumindest vermute ich das).
Aber Architektur, und damit erzähle ich Ihnen nichts Neues, ist eben zugleich auch ein kulturell prägendes Feld – ein prägenderes vielleicht als die Produktion von Brötchen. Und wenn dann in Zeiten der realen oder vermeintlichen Bauskandale, die Gauck auch ansprach, der Architektur mal ordentlich gehuldigt wird, dann nimmt er die Architekten damit ja auch in Mitverantwortung für den sozialkulturellen Zustandes des Landes. Das darf man loben – und darüber darf man sich dann auch mal freuen.