02.06.2016

Wohnen

Wie macht man Heimat?

Remscheid-Rosenhügel.

„Making Heimat. Germany, Arrival Country“, so der Titel des diesjährigen Konzepts für den Deutschen Pavillon in Venedig. Mit der Ausstellung reagieren die Macher vom Deutschen Architekturmuseum darauf, dass im Jahr 2015 mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind. Kurzfristige und temporäre Unterkünfte werden dringend benötigt, aber genauso notwendig sind neue Ideen und sinnvolle Konzepte zur Integration. „Heimat“ ist ein deutscher Begriff, der sich schlecht in andere Sprachen übersetzen lässt. Weder „home“ oder „home country“ im Englischen, noch „casa“ oder „patria“ im Italienischen und Spanischen umfassen die Vielfalt der Deutungen im Deutschen. Der Titel „Making Heimat“ bringt eine neue, aktive Ebene in die Diskussion: Wie kann Heimat „geschaffen“ werden?

In enger Zusammenarbeit mit „Arrival City“-Autor Doug Saunders hat das Kuratorenteam acht Thesen zur Arrival City erarbeitet – und zwar mit speziellem Bezug auf Deutschland. Denn auch deutsche Städte sind Arrival Cities. Die Thesen, die einen wichtigen Teil der Ausstellung in Venedig bilden, ergründen, welche architektonischen und städtebaulichen Bedingungen gegeben sein müssen, damit sich Einwanderer in Deutschland erfolgreich integrieren können.

 

1. Die Arrival City ist eine Stadt in der Stadt

Einwanderer suchen ihre Chancen in städtischer Dichte.

Innenstädte ziehen Migranten an. Ein Beispiel dafür ist das Bahnhofsviertel in Frankfurt am Main. Zusammen mit dem Neubau des Frankfurter Hauptbahnhofs im Jahr 1888, damals weit vor den Toren der Stadt, entstand das Bahnhofsviertel mit dem zentralen Boulevard der Kaiserstraße, seinen gründerzeitlich überfrachteten Fassaden und großbürgerlichen Wohnungsgrundrissen. Später kamen das Rotlichtmilieu und die seit den 1980er Jahren notorisch offene Drogenszene. Aber es kamen eben auch sehr viele Migranten. Mit seinem hohen Migrantenanteil ist die Frankfurter Bahnhofsgegend eine der wichtigsten Arrival Cities von Frankfurt selbst, aber auch von Deutschland. Seit einigen Jahren ist das Viertel darüber hinaus auch noch Schauplatz massiver Gentrifizierungskonflikte.

Oliver Elser

 

2. Die Arrival City ist bezahlbar

Günstige Mieten sind eine Voraussetzung für die Attraktivität einer Stadt.

Migranten ziehen in der Regel aus zwei Gründen in Großstädte: weil sie dort größere Chancen vermuten. Und weil dort mehr Landsleute – also Angehörige der eigenen Minorität – wohnen, von denen sie sich Unterstützung erwarten. Es sind „Übergangsgebiete“ („transitional spaces“), in denen die Migranten eine Zeit lang bleiben, abhängig von ihren ökonomischen Erfolgen. Dort finden sie preiswerten Wohnraum, ethnische Einzelhandelsgeschäfte, religiöse Einrichtungen, die Chance auf einen Arbeitsplatz und die Möglichkeit, sich selbstständig zu machen.

Jürgen Friedrichs, Soziologe

 

Mehr dazu finden Sie im aktuellen Baumeister 6/2016

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