Wie gelingt es, vier garagen- bis scheunentorgroße Öffnungen in den Deutschen Pavillon zu schneidenSchneiden: Das Schneiden ist ein Verfahren, um Glasplatten in bestimmte Formen oder Größen zu schneiden. Hierbei kommen spezielle Schneidewerkzeuge zum Einsatz.? Antwort: Man gehe in die Sprechstunde des städtischen Denkmalamts von Venedig, das sich natürlich nicht irgendwo, sondern im Dogenpalast am Markusplatz befindet. Man erscheine dort an einem Mittwoch um zehn Uhr, denn da beginnt wie jeden Mittwoch der Publikumsverkehr, ziehe eine Nummer und warte. Warte, warte, warte anderthalb Stunden, um schließlich vor dem für das Biennalegelände zuständigen Sachbearbeiter zu sitzen, Herrn Francesco Trovò. Er empfängt in einem Gruppenbüro, das er sich mit drei anderen Kollegen teilt. Die Fensterist eine Öffnung in der Wand eines Gebäudes, die Licht, Luft und Blick nach draußen ermöglicht. Es gibt verschiedene Arten von Fenstern, die sich in Größe, Form und Material unterscheiden können. Das Fenster ist ein wesentlicher Bestandteil der Gebäudearchitektur und hat sowohl funktionale als auch ästhetische Bedeutung. Es ist eine… weisen hinaus auf die Lagune. In einer deutschen Amtsstube hätte man nach wenigen Minuten eine Abfuhr bekommen, jede Wette. Aber das Gespräch findet am 4. November 2015 statt. Im Herbst der Flüchtlinge. Der Architekt Trovò findet den Gedanken konzeptionell richtig, den Pavillon zu öffnen, so weit zu öffnen wie die Grenzübergänge in Passau, am Brenner, in Griechenland. Zuhause, in Deutschland, wird von der Bundeskanzlerin gerade Geschichte geschrieben. „Die Menschen sollen einmal sagen können, das haben die damals gut gemacht“, wird sie an diesem Tag von der FAZ auf der Titelseite zitiert.
Die Auftraggeber für den deutschen Biennalebeitrag, die im Bundesbauministerium in Berlin sitzen, wissen zu diesem Zeitpunkt nichts davon, dass eine Delegation des DAM gemeinsam mit dem Architekten Clemens Kusch und Julian Schubert, einem Vertreter von Something Fantastic, beim venezianischen DenkmalschutzDenkmalschutz: Der Denkmalschutz dient dem Schutz und der Erhaltung von historischen Bauten und Bauwerken. vorstellig geworden ist, um zu klären, ob der in Deutschland undenkbare, massive Eingriff in die Substanz des Baudenkmals unter gewissen Umständen und in Anbetracht der hochemotionalen Flüchtlingssituation nicht vielleicht doch möglich wäre. Das DAM und Some-thing Fantastic hatten zwar zuvor von einer Jury den Auftrag erhalten, den deutschen Beitrag für die Architekturbiennale zu entwickeln. Doch als die Entscheidung für das Team von „Making Heimat“ von der Jury gefällt wurde, Anfang Oktober 2015, war von einer Öffnung des Pavillons noch nicht die Rede.
Zu gut um wahr zu sein?
Herr Trovò wechselt schnell von der Prinzipien- auf die Machbarkeitsebene und skizziert die Anforderungen an den Eingriff: Temporär und reversibel müsse die Maßnahme sein. Außerdem erdbebensicher, weswegen ein dreiseitiger Stahlrahmen an jeder Öffnung vorzusehen sei. Die Delegation reist wieder ab, enthusiastisch. Die Maschine läuft an. Der Architekt Clemens Kusch, dessen Büro in Venedig bereits seit Jahren alle Bau- und Sanierungsmaßnahmen am Deutschen Pavillon begleitet, beginnt nach den Vorgaben von Something Fantastic zur Lage und Größe der Öffnungen mit der Detailplanung und bereitet die Ausschreibung vor. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit kann überzeugt werden, dem UmbauUmbau ist ein Begriff, der sich auf die Veränderung oder Renovierung eines bestehenden Gebäudes oder Raums bezieht. zuzustimmen. Die Amtswege laufen wie geschmiert. Der Bauantrag wird vom zuständigen Konsulat in Mailand an die deutsche Botschaft in Rom und von dort ans Auswärtige Amt weitergereicht, das im Bauministerium nachfragt, was denn da los sei. Dann dauert es nur wenige Tage, bis zwei Bundesministerien sich abgestimmt haben und gemeinsam eine Unterschrift leisten: Der Deutsche Pavillon soll geöffnet werden. Wenige Monate später aber kommt ein Anruf aus Venedig. Die Idee des offenen Hauses droht zu scheitern. Der Denkmalschutz. Doch der Reihe nach.
Offenheit oder Baustelle?
Was genau ist die Botschaft, die durch den offenen Pavillon formuliert werden soll? Das Bundesbauministerium, zumeist vertreten durch den Staatssekretär Gunther Adler, und das DAM entwickeln in gemeinsamen Sitzungen, bisweilen um 22 Uhr mit Bierflaschen vor einem 1:20-Modell, zwei unterschiedliche Interpretationen: Deutschland ist seit dem Herbst 2015 eine gigantische Baustelle, so deutet das Ministerium die Geste. DAM und Something Fantastic dagegen sehen den Pavillon als Ausdruck einer freundlichen, offenen Haltung gegenüber denen, die nach Deutschland gekommen sind.
Mehr dazu finden Sie im aktuellen Baumeister 6/2016