Industriegebiet von Antwerpen

Industriegebiet von Antwerpen
Kralingse Bos in Rotterdam
Fahrradtour nach Delft
Fischreiher in Delft

Während der letzten Wochen hat der Winter, mit einiger Verspätung, dem Frühling Platz gemacht. Überall in Rotterdam sprießen Tulpen, Narzissen und Picknickdecken aus dem Boden. Im Büro riecht man dann spätestens ab 16 Uhr Nachmittags, wie jemand, definitiv kein Architekt, Arbeit Arbeit sein lässt und den Kohlegrill anschmeißt. In solchen Momenten fällt es selbst den passioniertesten Architekten schwer, sich auf Betonfertigteile zu konzentrieren. Ich muss zugeben, ich freue mich regelrecht, wenn ich auf dem Oberlicht über uns den Regeln prasseln höre. Abgesehen vom Wetter dominierte in meinem zweiten Monat die Routine mein Leben. Es fühlt sich jedenfalls so an, als ob ich weit länger als nur zwei Monate bei MVRDV arbeite. Ich werde vor dem Wecker wach und gehe doch immer in letzter Sekunde aus dem Haus. Ich kenne alle Ampel- und Brückenphasen. Ich habe alle Tees ausprobiert und erst recht alle Fensteröffnungsarten, Vordachgeometrien, Fassadenfaltungen, Betonoberflächen, Fugenbilder, Verschattungselemente, Eingangssituationen, Beleuchtungskonzepte, Fassadenbeschriftungen, Verglasungstypen, … Das faszinierende daran ist, dass ich diese Liste endlos fortsetzen könnte und es immer noch endlos viele offene Fragen mit endlos vielen Varianten gäbe. Ich glaube, es ist eben diese Komplexität, die den Beruf des Architekten so spannend macht. Oder es sind die skurrileren Momente, in denen man auf dem Tisch auf der Terrasse steht, in der einen Hand ein Modell, in der anderen ein iPhone und die verrücktesten Verrenkungen macht, um noch die letzten Sonnenstrahlen des Tages für das perfekte Foto zu erwischen.

Es gibt einen wunderschönen, natürlich künstlich angelegten, See im Nordosten Rotterdams, um den ich nach Feierabend gerne mal eine Runde drehe. Hier wird die spannungsreiche Symbiose von Natur und Metropole, wie man sie überall in Rotterdam antrifft, auf die Spitze getrieben: So trifft man bisweilen auf eine fröhlich blökende Schafherde, im Hintergrund Windmühlen und Segelbote, alles vor der beeindruckenden Skyline von Rotterdam. Solche Kontraste kann man hier zu jeder Zeit antreffen: Das pittoreske Delfshaven eingekesselt im 21. Jahrhundert, das historische Handelshaus der Holland-Amerika-Line neben Rem Koolhaas’ neustem Wolkenkratzer und nicht zuletzt der Streichelzoo zwischen Schnellstraße und Fußballstadion.

Genau diese Kontraste werden derzeit im Fotomuseum der Stadt wunderbar dokumentiert. Die Ausstellung zeigt den Werdegang Rotterdams anhand der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Fotografie. Auch andere Museen haben spannendes zu bieten. Im Huis Sonnenveld, einer Villa gebaut im niederländischen „De Stijl“, gibt es momentan eine Intervention der Designerin Petra Blaisse, in der der gesamte Boden des Wohnhauses in eine spiegelnde Oberfläche verwandelt wird. Verrückter Weise haben wir bis zum Ende nicht verstanden, dass dieser spiegelnde Boden kein zeitgemäßes Element des Entwurfes darstellt, sondern nur eine temporäre Intervention ist. Obwohl in höchstem Maße unpraktisch, waren wir total begeistert von der Raumwirkung der spiegelnden Oberflächen und vor allem auch vom Schneid des Architekten.

Ich habe in diesen zwei Monaten noch viele andere Museen und Ausstellungen besucht – einige waren sogar ziemlich beeindruckend. Allerdings hat es nur ein Museum geschafft, mich so richtig zu überraschen: Das Naturhistorische Museum von Rotterdam. Es ist ein kleines, aber sehr schönes Museum und es ist, wie sich vermuten ließ, voller Knochen und ausgestopfter Tiere. Es hat aber vor allem diese gewisse Lockerheit, die wir bei den Holländern so bewundern und die uns Deutschen so völlig abhanden geht. Beispielsweise werden in einer Vitrine Schamläuse inklusive ihres natürlichen Lebensraumes ausgestellt, mit der Anmerkung, dass aufgrund der zunehmenden Vernichtung ihres natürlichen Lebensraumes die Schamlaus in die rote Liste der bedrohten Tierarten aufgenommen wurde. Und dass das Museum sich deswegen entschlossen hat, mit die letzten verbliebenen Exemplare für die Zukunft zu sichern. In einer anderen Vitrine stellt das Museum alle Präparate aus, die sich nicht zuordnen ließen, mit der Bemerkung: entweder haben wir es hier mit bisher unentdeckten Arten zu tun, oder die Präparatoren waren einfach nur besonders kreativ (ich tippe auf letzteres). Eine große Sonderausstellung beschäftigt sich mit der Biodiversität in der Stadt; hier werden Vogelnester aus Stahldraht und Mageninhalte von Stadtfüchsen ausgestellt. Besonders Architekten sollten diese Ausstellung nicht verpassen, zeigt sie uns doch, wer die potenziellen Bewohner unserer grünen Dächer und Fassaden sind und was Ratte, Taube und Co. wirklich wollen. Das absolute Highlight des Museums, die Privatsammlung einer Holländerin, kommt allerdings ganz zuletzt: Ein Raum voller Fliegenklatschen!

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