Architektur und Kunst gehörten schon immer zusammen. Seit 1950 wird in der Bundesrepublik Deutschland und etwas später in der Deutschen Demokratischen Republik dieses Zusammenspiel vor allem von staatlicher Hand gelenkt. Auch heute ist die Bundesrepublik Deutschland der wichtigste Auftraggeber von Kunst am Bau im Land.
Voraussetzungen auf allen Ebenen
Mehrstufige, offene oder geladene Wettbewerbe werden für Kunst am Bau ausgeschrieben oder veranstaltet. Internationale, unabhängige Jurys vergeben die Zuschläge oder Preise für meist viele hundert Einreichungen zu einem Neubau- oder Umbauprojekt. Es gab und gibt mitunter auch Direktbeauftragungen. Neben der Bundesrepublik Deutschland sind Städte, Kommunen, Gemeinden, Institutionen, Stiftungen und Privatsammler weitere Auftraggeber von Kunst am Bau. Wichtig ist: Die Kunst sollte zur Architektur und Nutzung des Gebäudes eine ästhetische und inhaltlich stimmige Ergänzung sein. Dazu muss sie Brandschutzauflagen erfüllen und unterschiedlichen statischen Eignungen genügen.
Bauherrinnen BRD und DDR
Insbesondere die Bundesrepublik Deutschland ist Bauherrin der Kunst am Bau. Aus ihrem baukulturellen Anspruch heraus verwendet sie einen gewissen Geldbetrag für die Kunstwerke, die im Zusammenhang mit neuer Architektur entstehen. In der Regel liegt dieser Betrag bei um die ein Prozent der Baukosten oder etwas höher. Anders als Kunstwerke in ständigen oder temporären Ausstellungen ist die Kunst am Bau dauerhaft und fest innen oder außen mit dem Bauwerk verbunden oder befindet sich im Freiraum auf dem Grundstück der Liegenschaft.
Die Kunst am Bau ist immobil wie die Architektur, dies meist durch ihr Format, Gewicht und ihre Verankerung. Sie kann nicht schnell ausgetauscht oder entfernt werden. Oft und im besten Fall ist sie mit der Entwicklung des Bauwerks verknüpft, wurde ortspezifisch gestaltet und kann nicht einfach umgenutzt werden. Insgesamt wird ein großer Aufwand mit der Kunst am Bau betrieben – sie steht im öffentlichen und nicht-öffentlichen Stadtraum als Zeichen der Kultur unseres Landes.
Förderung von bildender Kunst im Deutschen Bundestag
„Um die bildende Kunst zu fördern, wird die Bundesregierung ersucht, bei allen Bauaufträgen (Neu- und Umbauten) des Bundes, soweit Charakter und Rahmen des Einzelbauvorhabens dies rechtfertigen, grundsätzlich einen Betrag von mindestens ein Prozent der Bauauftragssumme für Werke bildender Künstler vorzusehen“ hieß es auf der 30. Sitzung des Deutschen Bundestag im Jahr 1950 zu Grundlagenregelung. Diese Behandlung hatte der Deutsche Städtetag empfohlen und sie ist der Grundstein für eine heute über 70 Jahre alte Kunstförderung in unserem Land.
Unterstützung der Künstler auch in der DDR
1952 entschied sich auch die Deutsche Demokratische Republik mit der „Anordnung über die künstlerische Ausgestaltung von Verwaltungsbauten“ die Beziehung von bildender Kunst und Architektur zu intensivieren und zu fördern. In der Deutschen Demokratischen Republik sollten sogar von Beginn an bis zu 2% der Planbaukosten den Künstlern für Honorar und Umsetzung ihrer Entwürfe zur Verfügung gestellt werden.
Lukrativer Boom ab den 60ern
Kunst-am-Bau-Aufträge sind für die Gestalter sehr attraktiv, denn ein großer Teil, rund 30 Prozent der Realisierungssumme von den genannten ein bis zwei Prozent der Bausumme bildet das Künstlerhonorar. Als sich ab den 1960er-Jahren die Bauvolumen als Folge des Wirtschaftswachstums in der BRD vergrößerten, setzte ein Kunst-am-Bau-Boom ein. Immer mehr Künstler machten diese meist großformatige Kunst zu ihrem Spezialgebiet. Oft waren die Künstler schon frühzeitig in die Planung einer Neubauarchitektur miteinbezogen und diskutierten ihre Entwürfe gerne in öffentlichen Diskursen, um ihrer sozialen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft Ausdruck zu verleihen.
„Museum der 1000 Orte“
Einen rasanten Aufschwung nahm die Kunst am Bau durch den Ausbauumfasst alle Arbeiten, die nach der Rohbauphase durchgeführt werden müssen, damit ein Gebäude bewohnbar oder nutzbar wird. Dazu gehören beispielsweise das Verlegen von Elektro- und Sanitärinstallationen, das Verputzen der Wände und das Verlegen von Bodenbelägen. Berlins zur deutschen Hauptstadt in den 1990er-Jahren auf. Zahlreiche Bundesbauten entstanden im Berliner Stadtbild, die neben neuer oder durch UmbauUmbau ist ein Begriff, der sich auf die Veränderung oder Renovierung eines bestehenden Gebäudes oder Raums bezieht. neukubatierter Architektur ihr Pendant repräsentativer Kunst erhalten sollten. Seit 2014 wird ein Gesamtregister der Kunstwerke für Bauten des Bundes erstellt. Ihre Gesamtzahl mit einer Entstehungszeit seit 1950 wird auf etwa 10.000 geschätzt.
Das digitale „Museum der 1000 Orte“ hat einen Großteil dieser Kunst am Bau für Bauten des Bundes in Deutschland und auf deutschen Auslandsliegenschaften auf seiner Website veröffentlicht. Wenn Bauwerke des Bundes an private Nutzer verkauft werden, geht auch die Kunst am Bau für die Öffentlichkeit verloren: Der weitere Zugang zum Werk und dessen PflegePflege: Die Reinigung und Wartung von Böden, Wänden oder anderen Oberflächen, um ihre Lebensdauer und Optik zu erhalten. und Erhalt sind nicht mehr gesichert.
Herausforderungen von Kunst am Bau
Kunst am Bau steht mit ihrer Verknüpfung zum Bauwerk und dem Baugrundstück in einem besonderen Spannungsfeld: Die baubezogenen Vorgaben erschweren eine freie künstlerische Auseinandersetzung. Andererseits ist dies auch eine besondere Herausforderung. Im Zuge der aktuellen Architektur- und Baukulturdebatte scheint das Interesse an der Kunst am Bau bei Künstlern und in der Öffentlichkeit gerade wieder stärker zu werden.
Dies wirft die Frage auf, wie eine solche Entwicklung gestützt und die Kunst am Bau enger mit der allgemeinen Kunstdiskussion verbunden werden kann. Die Medienberichterstattung zur Kunst am Bau ist eher dünn verglichen mit Besprechungen zu Ausstellungen, Messen, Biennalen und anderen Kunstevents.
Große Kunst in bedeutenden Architekturbauten
Derzeit dominieren die Kunst am Bau künstlerische Gattungen wie Skulptur und Malerei im Großformat und tendenziell in der Kunst bereits etablierte Ansätze. Man denke an die Arbeiten in den Bundesbauten im Spreebogen: Eduardo Chillida vor dem Kanzleramt, Georg Baselitz, Joseph Beuys, Christian Boltanski, Andreas Gursky, Sigmar Polke und Gerhard Richter im Reichstagsgebäude, um nur einige zu nennen.
Sie alle gehören zu den Who-is-Who der Kunstgeschichte im 20. Jahrhundert. Was schwer in Architekturen einzupflegen ist, ist die historische wie die aktuelle empfindliche Medienkunst, seien es Videos oder akustische Arbeiten. Sie könnten auch den Ablauf von Arbeitsprozessen stören.
Kunst am Bau in der DDR
In der DDR wurden ab Mitte der 1960er-Jahre die Aufträge im Rahmen baubezogener Kunst um die sogenannte komplexe Umweltgestaltung erweitert. Kennzeichnend für die Kunst am Bau in der DDR wurde, dass die Arbeiten sich nicht nur auf ein mit dem Bauwerk tektonisch verbundenes Kunstwerk bezogen. Die Künstler entwickelten Gestaltungskonzeptionen für Gebäudekomplexe, Plätze, Wohngebiete und die Ausgestaltung von Betrieben, die „Arbeitsumweltgestaltung“. Damit berührten sich die Arbeitsfelder der Künstler nicht nur mit denen der Architekten, sondern auch zunehmend mit denen der Landschafts- und Formgestalter oder der produzierenden Betriebe.
Kunst am Bau als Zeitzeuge
Das Haus des Lehrers, das erste Hochhaus am Berliner Alexanderplatz nach Entwürfen des Kollektiv Hermann Henselmann aus den Jahren 1961-1964, ist dafür ein schönes Beispiel für die Kunst am Bau in der DDR: Das Gebäude schmückt ein umlaufender FriesFries: Ein Fries ist ein dekoratives Element in der Architektur, das sich oft um das gesamte Gebäude herumzieht und mit Ornamenten oder Bildern verziert ist. aus 800.000 Mosaiksteinen auf der Höhe der dritten und vierten Etage.
Der Entwurf stammt von Walter Womacka und zeigt unter dem Titel „Unser Leben“ auf einer Länge von 127 Metern Darstellungen aus dem gesellschaftlichen Leben in der DDR. Das Haus des Lehrers steht seit den 1990er-Jahren unter DenkmalschutzDenkmalschutz: Der Denkmalschutz dient dem Schutz und der Erhaltung von historischen Bauten und Bauwerken. und ist ein wichtiger Zeitzeuge für die gesellschaftlichen Ideale der Deutschen Demokratischen Republik.