Am Rande eines gewöhnlichen Platzes ist in Marcq-en-Baroeul ein außergewöhnliches Haus der Künste entstanden. Ein neues Zentrum für Kunst, Kultur und Kino hat die kleine Stadt nicht nur architektonisch verändert, sondern auch einem vernachlässigten Platz neues Leben eingehaucht.
Neustart in Marcq-en-Baroeul
Die kleine Stadt Marcq-en-Baroeul liegt im Metropolraum Lille. Dort, im Norden von Frankreich, nahe der belgischen Grenze, locken keine touristischen Highlights. Nun könnte ein neues Kulturzentrum Architekturinteressierte anlocken. Doch vom Neubau des Büro Hart Berteloot profitieren vor allem die Bürger von Marcq-en-Baroeul. Nicht zuletzt wertet das neue Kulturzentrum den angrenzenden Place Doumer auf.
Als ein räumliches Universum einzigartiger architektonischer Qualität beschreiben die Entwerfer ihr Werk. In diesem Universum haben Kunst, Kultur und Kino ein neues Zuhause bekommen. Mit dem Neubau hat die kleine Stadt eine Chance ergriffen, die Place Doumer und damit dem Eingang zur Stadt neuzuentwickeln. Damit ist ein lebendiger Ort entstanden, an dem Tag und Nacht Leben pulsieren kann. Im Gegensatz zu normalen Kinos mit klassischen Sälen ist das neue Kulturzentrum eng mit seinem Umfeld verzahnt. Denn die Architektinnen und Architekten haben es sensibel in den Kontext eingefügt. Es ist für die für Gemeinde Marcq-en-Barœul und den Rand der Place Doumer maßgeschneidert.
Früher Parkplatz, heute Ort der Kunst
Die Place Doumer in Marcq-en-Baroeul war bisher nicht viel mehr als ein Parkplatz. Sein südlicher Rand rief Assoziationen an amerikanische Vorortstraßen wach: niedrige Gebäude, Parkplätze direkt davor, nebenan, egal. Nun hat das Kulturzentrum den identitäts- und gesichtslosen Platz neu belebt. Dabei haben die Entwurfsverfasser mit neuem städtebaulichen und architektonischen Vokabular die Tradition des alten Familienkinos am Ort neu interpretiert und in neue Grundrisse und Räume übertragen. In diesem Sinne ist die Architektur von der cinematographischen Geschichte von Marcq-en-Baroeul inspiriert, ohne aber bloße Nachahmung zu sein. Denn es ging den Architekten nicht darum, eine Art-Deco-Fassade oder den dekorativen Raum des alten Kolosseum wiederherzustellen. Vielmehr haben sie sich in ihrem Entwurf mit dem von den Bürgern geschätzten Erbe von Marcq-en-Baroeul auseinandergesetzt.
Zwei unterschiedliche Ebenen
Insgesamt sind an der Place Doumer drei Kinosäle mit 80, 120 und 300 Sitzplätzen, ein multifunktional nutzbarer Raum für 700 Personen, ein Restaurant und ein Saal für die Musikschule entstanden. Dieses Raumprogramm verteilt sich auf zwei Ebenen. Die erste liegt auf dem Niveau des Platzes. Mit einer offenen Struktur und Vollverglasung zum Platz steht diese untere Ebene in enger Beziehung zum angrenzenden öffentlichen Raum. Hinter der Glasfassade liegen, vom Platz gut einsehbar, Empfangsbereiche und Foyerfunktionen. Die zweite Ebene ist von großen Volumina geprägt. Hier liegen die Kino- und Festsäle. Anders als im zusammenhängenden Erdgeschoss teilen sich die Baukörper der zweiten Ebene auf drei Bereiche auf. Alle drei sind um eine Terrasse gruppiert. Zwei “Fehler” durchbrechen diese Idee. Als solche bezeichnen die Architektinnen und Architekten die Durchgänge und Erschließungszonen zum Kino auf der einen Seite und zum Partysaal auf der anderen Seite.
Neben der Perspektive der Fußgänger spielte bei der Gestaltung und Positionierung der Gebäudevolumina auch die Nachbarschaft eine Rolle. Denn die Privatsphäre der Anwohner sollten unbedingt ungestört bleiben. Das Herz der oberen Gebäudelandschaft bildet eine Terrasse als Aussichtspunkt über die Stadt. Sie stellt den “vierten Raum” des Obergeschosses dar. Dieser bietet bei gutem Wetter Gelegenheit für Außenvorführungen, für Empfänge und kleine Konzerte. Durch die Sichtbeziehung, mit der er zum Platz steht, belebt er diesen an Aufführungsabenden im Sommer gleich mit.
Gestaltung und Materialität
Die Gestaltung und Materialität des Kulturzentrums in Marcq-en-Baroeul steht in engem Zusammenhang mit seinem Raumprogramm. Sie lebt vom Kontrast zwischen transparenten, lichtdurchlässigen Bereichen und massiven Wänden, Böden und Treppen. Während die Eingangszone im Erdgeschoss von großen, beinahe rahmenlosen Fensterflächen geprägt ist, prägt die Flure und Treppen, die Säle und ihre Vorzonen massiver, unbehandelter Beton. Letzterer ist so “ehrlich”, dass sogar Lichtkabel von Lampeninstallationen offen sichtbar sind. Als drittes Material verwenden die Architektinnen und Architekten helles HolzHolz: Ein natürlicher Werkstoff, der zur Herstellung von Schalungen und Gerüsten genutzt werden kann. Es wird oft für Bauvorhaben im Bereich des Holzbaus verwendet.. Dadurch bringen sie farbliche Wärme und eine fast skandinavische Atmosphäre in das Gebäudeinnere. Die einzige Ablenkung von der strengen Materialität besteht in großen Abbildungen aus Kinoszenen. Sie unterbrechen die ruhige, skulpturale Anmutung der Innenräume. Dabei ähneln sie ähneln den Ausblicken durch die großen Fensterflächen auf die Place Doumer. Hier verschwimmen cinematographische und urbane Welt miteinander.
Ein weiteres spannendes Kulturprojekt aus Frankreich: der Erweiterungsbau des Fort l’Écluse, ein Entwurf des französischen Architekturbüros Atelier PNG.