05.02.2021

Öffentlich

Natürlich bauen


Städte als Ressource

Die Baubranche ist für einen großen Teil des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Die Gegenrezepte kennen wir eigentlich längst, findet unser Kolumnist Eike Becker. Es ist an der Zeit, sie endlich konsequent umzusetzen. Im Mittelpunkt sollte dabei das älteste Baumaterial von allen stehen: Holz!

Im Berliner Stadtbezirk Marzahn gibt es inmitten einer zumeist 11-geschossigen Plattenbausiedlung einen kleinen Park. Nach den Plänen des Zen-Priesters Shunmyō Masuno wurde dort der „Garten des zusammenfließenden Wassers“ errichtet. Mit einem bescheidenen Pavillon in seiner Mitte. Der Garten ist ein kulturelles Ereignis, das uns einen Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft gewährt. Dieser Ort bietet ein tiefes spirituelles Erlebnis. Er zeugt von jahrhundertealten Natur- und Materialkenntnissen, von überwältigender Schönheit und vom harmonischen Miteinander menschlicher Gestaltungskraft und natürlicher Lebendigkeit.

Außerhalb dieses Gartens erscheinen die heutigen Städte dagegen zumeist als ein zusammengewürfeltes Sammelsurium unterschiedlichster Materialien. Sie bestehen im Wesentlichen aus anorganischer und energieaufwendig erzeugter Materie. Aus Beton, Stahl, Steinen, Glas, Aluminium, Asphalt und Kunststoffen aller Art. Rund 40 Prozent aller Rohstoffe werden im Baubereich verbraucht. Beim Abriss landen sie am Ende ihres kurzen Lebenszyklus auf der Deponie. Dabei könnten viele Materialien am besten gleich dort bleiben, wo sie schon sind, um gleich wiederverwendet zu werden. Städte sind eigentlich gigantische Rohstofflager. Leider aber sind unterschiedliche Werkstoffe heute so miteinander verklebt, dass man sie kaum wieder auseinanderbekommt. Rückbaukonzepte werden noch immer nicht bei der Planung eines Gebäudes mitgedacht. Würde man das tun, müssten die Baustoffe möglichst sortenrein und mit geringsten Verlusten wieder getrennt werden können.Eine Kreislaufwirtschaft im Einklang mit der Natur, wie in dem kleinen japanischen Garten in Marzahn zu sehen, ist aber heute im städtischen Maßstab noch in weiter Ferne.

Dabei könnte das leicht anders sein. Hersteller von Baumaterialien müssten schlicht zur Rücknahme ihrer Produkte verpflichtet werden. Dann kämen ziemlich schnell sortenreinere, unverklebte Baumaterialien auf den Markt, die wieder verbaut werden könnten. Leider ist es aber immer noch die Regel, dass Hersteller die Verantwortung für ihre tatsächlich erzeugten Umweltkosten anderen aufbürden und sich über den Verkauf hinaus keine Gedanken über ihre Produkte machen. Viele der verwendeten Baustoffe sind zudem aufgrund diverser Chemikalien gesundheitsschädlich. Beispielsweise indem sie giftige Gase ausdünsten, die in die Atemluft gelangen. Da Menschen in der Regel über 90 Prozent ihrer Lebenszeit in Gebäuden verbringen, sind sie andauernd schadstoffbelasteten Baustoffen ausgesetzt. Es ist skandalös, dass Hersteller oftmals keinerlei Prüfergebnisse veröffentlichen müssen oder auf Messungen gleich verzichten. Das Umweltbundesamt gibt bisher zu Emissionswerten nur unverbindliche Empfehlungen. Die Hersteller und Bauunternehmen können deshalb die Gesundheitskosten externalisieren und sie dem Gemeinwesen und den direkt Betroffenen aufbürden. Das ist auch der Grund, weshalb umweltfreundliche Baustoffe nicht häufiger eingesetzt werden.

Die Bauindustrie ist für 30 Prozent der weltweiten Treibhausgase verantwortlich. Sieben bis neun Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursacht allein die Zementindustrie. Das ist fast dreimal soviel wie beispielsweise der weltweite Flugverkehr emittiert. Für die Zementproduktion in den Rotationsöfen sind extrem hohe Temperaturen erforderlich, die in der Regel durch die Verbrennung fossiler Energieträger erzeugt werden. Ein Desaster. Heute ist ein Rohbau, der als Holzhybridbau realisiert wird, immer noch 20 Prozent teurer als eine Stahlbetonkonstruktion. Das liegt auch daran, dass die Betonindustrie in der Regel abgeschriebene Werke besitzt, bei allen relevanten Gesetzgebungsverfahren hellwach ist und gute Lobbyarbeit betreibt. In den Ausschüssen der Bauindustrie geht es bei den Festlegungen von Normen und Standards mitunter zu, wie zwischen Admiral Nelson und der Armada in der Schlacht von Trafalgar.

Holz ist die Zukunft

Aber wie könnte man den CO2-Ausstoß durch die Verwendung umweltfreundlicherer Baumaterialien und Bauweisen verringern? Jedes Jahr wird durch menschliche Aktivitäten viel mehr Kohlenstoff freigesetzt, als durch Kohlenstoffsenken (Meere, Seen, Wälder) gebunden wird. Dieses Ungleichgewicht ist so groß, dass die Reduzierung der Kohlenstoffquellen allein nicht ausreicht. Es müssen zusätzlich die Kohlenstoffsenken ausgeweitet werden. Einer der Wege, das zu erreichen, ist es, die Verwendung von Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft zu steigern. Natürlich gibt es gibt nicht den besten Baustoff. Das geeignetste Material muss je nach Bauaufgabe ausgewählt werden. Aber der vermehrte Einsatz von Holz und Holzwerkstoffen kann dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen des Bausektors zu senken. Holz hat die einzigartige Fähigkeit, CO2-Emissionen zu reduzieren und CO2 der Atmosphäre zu entziehen. Nadelholz ist in Deutschland mehr als genug vorhanden. Durch den Borkenkäfer und den Klimawandel werden die Nadelholzwälder der Nachkriegszeit besonders stark geschädigt. Es ist sinnvoll, dieses Holz für den Bau zu verwenden. Anschließend sollte man die Flächen mit einem besser an das hiesige Klima angepassten Mischwald wieder aufforsten.

Holz ist das Baumaterial der Zukunft. Was für eine überraschende Wendung angesichts der Diskussionen um High Tech und die Smart City. Auch andere Baumaterialien haben ihre Berechtigung. Stahl kann große Zugkräfte aufnehmen und Beton kann hohe Druckkräfte bewältigen. Untergeschosse werden auch auf absehbare Zeit in Stahlbeton, besser in Carbonbeton ausgeführt. Immer geht es um die richtige Mischung. Übigens: Derzeit werden Holzgebäude zumeist in Holzhybridbauweise mit einem Holzanteil von vielleicht 30 Prozent errichtet. Wie der Hybridmotor in der Autoindustrie stellt das aber keine Lösung dar.

Gerade erleben wir die Stunde Null für den Holzhochhausbau in Europa. In Norwegen wurde 2019 das mit 85 Metern derzeit höchste Holzhybridhochhaus der Welt fertiggestellt. Auch in Wien, Hamburg, München, Wolfsburg und Amsterdam laufen Genehmigungsverfahren. Für all diese Projekte gibt es noch kein standardisiertes Baurecht, sondern jeweils Prüfungen im Einzelfall. Voraussetzung hierfür ist ein gutes Zusammenspiel von Architekten, Ingenieuren, der Branddirektion, der Bauaufsicht und den ausführenden Firmen. Gemeinsam geht es darum, Neuland zu betreten und die Voraussetzungen für den endgültigen Durchbruch dieser nachhaltigen Bauweise zu schaffen. Das erleben wir zurzeit auch bei unserem Holzhybridhochhaus im Europaquartier in Frankfurt. Bei aller angemessenen Sorgfalt ist die Begeisterung auf allen Seiten groß. Wenn die ersten zehn bis fünfzehn Projekte gebaut sind, erwarte ich eine Systematisierung und damit deutliche Beschleunigung der Genehmigungsverfahren.

In dem japanischen Garten in Berlin Marzahn ist die Harmonie zwischen menschlichem Willen und natürlichem Wirken erlebbar. Der kleine, zum Garten hin offene Pavillon ist aus Bambus, Lehm, Reet und Natursteinen hergestellt. Alles kann leicht wieder auseinandergenommen und anders zusammengebaut werden. Der Bambus und das Reet haben während ihres Wachstums CO2 aus der Luft gebunden und daraus Holz aufgebaut. Alle Materialien sind langlebig und erwiesenermaßen gesundheitsverträglich. Die Bambuswälder und Reetfelder, denen die Baumaterialien entnommen sind, werden nachhaltig bewirtschaftet und wieder aufgeforstet. Das ist Kreislaufwirtschaft. Es ist die Aufgabe der Bauindustrie dieses Prinzip auch auf größere Maßstäbe zu übertragen. Und sich für ihre externen Effekte zulasten von Umwelt und Gesellschaft ganzheitlich verantwortlich zu zeigen.

 

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