19.08.2014

Hotel

Kallstadt, Weinhaus Henninger

Die Pfalz ist der Avantgarde-Architektur unverdächtig. Aber neben dem Hambacher Schloss gibt es eine Reihe unbekannter Umbauten und Ergänzungen, mit denen alte
Bausubstanz sensibel in die Gegenwart gerettet wurde. Zum Beispiel dieser Gasthof.

Reden wir einmal zuerst über Geld. Ein Hotelzimmer, wie es das Henninger bietet, würde bei gleicher Ausstattung und Größe in München das Dreifache kosten und mit Sternen prunken. Hier kriegt man Luxus beiläufig, solide Architektur, die ein breites Publikum zufrieden stellen wird, ohne erzieherische Abstraktion, aber auch ohne anbiedernde Gemütlichkeit. Das Haus Henninger gehört seit vielen Jahrzehnten zu den Traditionslokalen wie der Bach-Mayer, die Kanne oder der Deidesheimer Hof. Dort wird regionale Esskultur auf unterschiedlichem Preisniveau gepflegt. Zwischenzeitlich wechselten die Pächter, manchmal ging es bergab mit der Küche und auch mit der Architektur.

Der Pächter des Henninger bekam durch seinen neuen Besitzer die einmalige Chance, das abgenutzte Traditionslokal instand zu setzen und zum Hotel zu erweitern. Zur Straße leuchtet jetzt wieder das rote Fachwerk des barocken Gasthauses, die später errichteten Bauteile aus unterschiedlicher Zeit wurden abgetragen, ergänzt, angeschlossen, vor allem hinsichtlich ihrer Standsicherheit sozusagen fundamental überarbeitet. Das vor Baubeginn noch einmal reduzierte Konzept hat der Architekt Jochen Ziegler erarbeitet, später kam für die Innenarchitektur noch Susanne Brandherm dazu.

Die alte Gaststube ist so vorbildlich wie unauffällig aufgefrischt, sie könnte beispielhaft für andere Lokale gelten, die mit Schmiedeeisen, Blümchenvorhängen und Kellereidevotionalien den Stallgeruch eines Weinlokals herbeidekorieren wollen. Der ehemalige hintere Saal wurde vollständig neu interpretiert. Hier ist eine andernorts abgetragene Scheune raumteilend implantiert. Das ergibt angenehme Sitznischen, nur Architekturbeflissenen wird auffallen, dass die Spannweiten und Dimensionen des Fachwerks auf eine unerklärliche Schwerlastnutzung im Obergeschoss schließen ließen. Hübsch ist, wie Elemente des Vorgängerbaus als Spolien erhalten blieben (der Kachelofen, die Wandvertäfelung) oder umgeformt wieder auftauchen (der offene Kamin). Die schlichten weißen Lampen über den Tischen reichen völlig aus.

Das Entree zum Hotel, dessen Rezeption in eine Bar übergeht, changiert noch unentschieden zwischen Durchgang und Lounge, vor allem ist der Tresen ein wenig nach Parfümerieausstattung geraten.

Gehen wir zu den Zimmern, dreizehn an der Zahl. Jedes ist anders, und könnten die Wände sprechen, würden sie erzählen, welche Baugeschichte sich hinter ihrer glatten weißen Oberfläche verbirgt. Dicke schalldämmende Türen trennen sie von den verschlungenen, bisweilen steilen Zugangswegen der verwinkelten Flure. Auf dem Boden liegen Eichendielen, Vorhänge und großformatige Badezimmerfliesen folgen einer Braunpalette, die Polstersessel sind weinrot bezogen, ergänzt von Würfelhockern aus Eichenholz. Tischmöbel sind aus einem stark gemaserten Kirschfurnier, sicher gewöhnungsbedürftig.

Was jedem Gast gefallen könnte: Es gibt Platz, endlich einmal vollwertige Schränke, Licht in jedem Winkel, ein Bett für die Prinzessin auf der Erbse und ein mondänes Bad, dessen Größe den Zimmern im Motel One nahe kommt. Die verglasten Öffnungen zwischen Bett und Wanne bleiben moderat (das Glas müsste nicht braun sein). Den erholsamen Aufenthalt beeinträchtigt es nicht. Auch den Service nimmt man gerne an – er ist freundlich, hilfreich, aber nicht geschäftsmäßig servil.

Adresse

Weinhaus Henninger
Weinstraße 93
Kallstadt
Deutschland
www.weinhaus-henninger.de

Fotos: Joachim Grothus

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