19.08.2014

Portrait

Geister der Vergangenheit

Stumme Zeugen des Verfalls. Die britische Fotografin Rebecca Litchfield reiste durch Länder der ehemaligen Sowjetunion und fotografierte monumentale Strukturen, die Sinnbild der vergangenen Größe einer Weltmacht sind.

Die Liste der Länder, die Rebecca Litchfield besuchte, ist lang. Ihre Reise führte sie in die Ukraine, nach Russland, Bulgarien, Tschechien, in die Slowakei, nach Estland, Lettland, Litauen, Kroatien, Ungarn und zuletzt in die ehemalige DDR. Dort besichtigte sie Schauplätze, die das Leben hinter dem eisernen Vorhang widerspiegeln, und dokumentierte deren Zustand mit ihrer Kamera. Öffentliche Gebäude wie Krankenhäuser oder Sporthallen waren dabei, aber auch weniger zugängliche Orte wie Militärkasernen oder Gefängnisse.

Die Ergebnisse sind in ihrem Buch „Soviet Ghosts“ zu sehen, das vor allem eine Chronik des Niedergangs ist. Zum Beispiel das „Busludscha–Denkmal“. Es befindet sich in Bulgarien, auf der Spitze des Chadschi Dimitar, einem Berg, wo die ersten konspirativen Treffen bulgarischer Sozialisten stattfanden. Zu deren Ehren entwarf der Architekt Georgi Stoilov ein Monument, das in seiner Erscheinungsform an ein Ufo erinnert. In seinem Bauch beherbergt es ein riesiges Amphitheater, dessen Wände die bulgarische und sowjetische Geschichte thematisieren. Nach Ende des „Kalten Krieges“ wurde es sich selbst überlassen und verfällt seitdem.

Ein weiteres Beispiel sind die „Irbene-Teleskope“, die in einem Wald in der Nähe der lettischen Stadt Skrunda errichtet wurden und der Spionage dienten. Gleichzeitig entstand die Militärbasis Skrunda-1, in der Geheimdienstmitarbeiter und Militärpersonal untergebracht waren. In der Folge wurde die ganze Region zur Sperrzone erklärt. Wer eines der umliegenden Dörfer besuchen wollte, benötigte eine Spezialgenehmigung. Heute ist Skrunda-1 eine Geisterstadt. Die Teleskope sind wieder in Betrieb, allerdings wird heute das Weltall beobachtet.

Bei dem Projekt habe ihre persönliche Meinung zur Ära des „Kalten Krieges“ keine Rolle gespielt, sagt Rebecca Litchfield in ihrem Buch, vielmehr sei es ihr Ziel gewesen, eine Bestandsaufnahme zu machen. Betrachtet man andere Arbeiten der jungen Londoner Fotografin, wird allerdings ein Hang zur Inszenierung sichtbar. Und so lösen auch die Bilder in „Soviet Ghosts” Emotionen aus. Wie aus der Zeit gefallen wirken die Orte. Es fällt schwer zu glauben, dass dies alles erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor etwas mehr als zwanzig Jahren zu Ende ging.

Fotos: Rebecca Litchfield

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