25.05.2016

Wohnen

Highrise

Ein hohes Haus ist ein hohes Haus in Relation zu seiner niedrigeren Nachbarschaft. Damit ist Höhe relativ. Ein 22-geschossiges Hochhaus am Potsdamer Platz wäre in Manhattan ein Zwerg, ist aber am Potsdamer Platz ein Riese.

Hochhäuser sind ein leidenschaftlich umkämpfter Bautypus. Fallwinde, dunkle Strassenschluchten, der mögliche Verlust des menschlichen Maßstabs, öffentliche Plätze als übriggebliebene Zwischenräume, eine Hierarchisierung der Stadtsilhuette und eine damit einhergehende Hierarchisierung der Gesellschaft, „die da oben und wir ganz unten“ sind nur einige Argumente gegen Hochhäuser.

Sie sind ein diabolisches Werkzeug im Werkzeugkasten der Stadtplanung. Sie bieten auf die Entfernung Orientierung, werden mit Prestige verbunden, schaffen zusätzliche räumliche Möglichkeiten, insbesondere, wenn sie im Verbund angeordnet werden. Sie stehen für wirtschaftliche Prosperität, für starke Verdichtung und eine abwechslungsreiche, inspirierende, ambitionierte Umgebung.
Sie können bis zu einer gewissen Höhe auch eine wirtschaftliche Lösung darstellen und energieeffizient sein.

Zugleich berücksichtigen sie mit ihrem Wohnangebot die unterschiedlichen Erwartungen der neuen Stadtbewohner. Hochhäuser bieten herausragende Wohnsituationen, aber vor allem für die, die sie sich leisten können.

An einem Wettbewerb um das höchste Hochhaus der Welt wird sich keine deutsche Stadt beteiligen. Auch Frankfurt am Main nicht. Es gibt nur 75 Häuser über 100 Meter in Deutschland, davon die Hälfte in der Mainmetropole. Nicht einmal 10 Gebäude sind über 40 Geschosse, ca 170 Meter. Alle stehen in Ffm, alles Bürogebäude. Weil die meisten deutschen Städte eine historische Silhouette aus Kuppeln und Kirchtürmen besitzen, sind Hochhäuser zumeist nicht mehrheitsfähig. Megahohe Häuser passen nicht zwangsläufig zu einer inklusiven Gesellschaft, die sich am Konsens orientiert und bemüht ist, zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen immer wieder zu vermitteln. Extrempositionen sind mit dieser Strategie nur ganz selten zu erreichen. Denn Stadtplanung ist Gemeinschaftssache. Viele gesellschaftliche Gruppen sind an dem Diskurs beteiligt. Auch deshalb ist das Hochhaus nicht der Bautypus, der sich in Deutschland auf breiter Front hat durchsetzen können oder durchsetzen wird. Es ist nicht überraschend, dass fast die Hälfte der 20 höchsten Häuser Europas in Moskau stehen.

Auch das Argument der großen Verdichtung ist nicht allein entscheidend für den Bau von freistehenden Hochhäusern. Grosse Dichte ist mit den blockartigen Strukturen des 19. Jahrhunderts energieeffizienter und kostengünstiger zu erreichen.

Wie so häufig bietet die Kombination unterschiedlicher Systheme eine verbesserte Lösung. Es ist die Verbindung von Sockel und bis zu 30-geschossigem Hochhaus, von geschlossenem, definiertem Straßen- und Platzraum und der fließenden, offenen Raumstruktur darüber, die an bestimmten Stellen in der Stadt eine Lösung sein kann.

Hier kommen die Stärken der Moderne mit denen der gewachsenen Stadt zusammen. Es entstehen klar definierte, urbane Stadträume mit Läden, Cafés, Restaurants und weiterer Infrastruktur im Erdgeschoss. Warum nicht auch Sportvereinen, Musikclubs oder Bürgerinitiativen die Erdgeschoss nahen Flächen günstig zur Verfügung stellen? „Die Mehrheit der Menschen kommt in die Innenstadt, weil sie andere Menschen treffen und etwas erleben will“, ist Jan Gehl, einer der einflussreichsten Stadtplaner der Welt überzeugt.

Je höher die Ausnutzung des Grund und Bodens, desto geringer kann der Kostendruck sein und desto grösser ist der Raum für Alternativen. Für Nutzungen, die Menschen zusammenbringen, Gemeinschaft fördern und Nachbarschaft erzeugen. Der Concierge als Organisator und Helfer für das ganze Quartier, der Waschsalon auch als Café, eine Küche zum Kochen mit Freunden, ein Fahrradwerkstattrestaurant, Gemüsegärten mit angeschlossener Fischzucht auf dem Dach. Alles sind attraktive Nachbarn, die die Lebensqualität der Bewohner und ihren Zusammenhalt fördern.
So kehrt die durchmischte Stadt mit ihrem urbanen, dichten Leben wieder zurück in die Zentren.

Warum soll das nicht gehen?

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