18.08.2023

Wohnen

Ländlicher Spagat – Haus Buchen in Andelsbuch

Einfamilienhaus Holz
Mitten auf einer grünen Wiese steht das Haus Buchen von Bernardo Bader Architekten. Fotos: Gustav Willeit
Mitten auf einer grünen Wiese steht das Haus Buchen von Bernardo Bader Architekten. Fotos: Gustav Willeit

In der österreichischen Gemeinde Andelsbuch haben Bernardo Bader Architekten ein Einfamilienhaus fertiggestellt. Das „Haus Buchen“ in Holz-Massivbauweise steht mitten auf einer grünen Wiese. 

Bernardo Bader Architekten sind ein Architekturbüro im westösterreichischen Bregenz. Das 2003 gegründete Büro ist bekannt dafür, sich in Anlehnung an die vernakuläre Architektur des Landes um Neuinterpretationen bewährter Raumkonzepte zu bemühen. Das 2022 fertiggestellte Haus Buchen reiht sich in diese Tradition ein. Es ist der Versuch einer versöhnlichen Einfamilienhaus-Architektur auf der grünen Wiese mit den Ansprüchen einer modernen Familie. Die 158 qm an Wohnfläche liegen übrigens nur ca. elf Quadratmeter über dem österreichischen Durchschnitt.

Foto: Gustav Willeit
Die Fassade ist aus Fichtenholz. Fotos: Gustav Willeit
Foto: Gustav Willeit

Bedachte Proportionen

Auf den ersten Blick wirkt das Haus Buchen optisch zurückhaltend und handwerklich qualitativ ausgeführt. Und auch auf den zweiten Blick macht das Projekt alles richtig. Abgesehen vom aus thermischen Überlegungen in Sichtbeton ausgeführten Kern rund um Nasszellen, Vorratskammer und Ofen, ist das Gebäude in Holz-Massivbauweise ausgeführt. Die Proportionen sind mit bedacht ausgewählt, ebenso das zurückhaltende Mobiliar. Auf den Fotos ist klar zu erkennen: hier wurde bis ins Detail auf saubere Planung und Ausführung geachtet. Einen Keller sucht man allerdings vergebens: Die Lagerflächen sind im dominanten Satteldach untergebracht, das innerhalb der Kubatur über eine Treppe erschlossen wird. Durch den Verzicht auf den Aushub für ein Untergeschoss konnte man auf Stützwände aus Beton und andere intensive Eingriffe in die Topografie des Bauplatzes verzichten. So steht das Haus ohne statische und geologische Kompromisse in einer leichten Nordhanglage und ist ebenerdig an der Stirnseite zum Westen hin zugänglich.

Foto: Gustav Willeit
Anlehnung an die traditionelle österreichische Architektur. Fotos: Gustav Willeit
Foto: Gustav Willeit

Alte Traditionen

Die Fassade aus Fichtenholz verändert sich mit fortschreitender Bewitterung, wird sich farblich immer mehr an das Dach angleichen und stellenweise ergrauen. So kann man ihm die Zeichen der Zeit bald gut ansehen. Das Haus wird ein Vehikel von Geschichte, es soll gar nicht „immer neu” aussehen. Aber auch die exponierte Lage macht das Haus zu einem wahrer Eyecatcher. Die breiten Fenster fangen die pittoreske Landschaft von Vorarlberg ein; Schönheit innen wie außen. In ihrer strukturellen Schlichtheit haben Bernardo Bader Architekten die „Scheune” als Ausgangspunkt für ihren Entwurf herangezogen. Freilich hat das Gebäude mit der funktionalen Reduktion seines landwirtschaftlichen Vorbildes wenig gemeinsam. Statt dem Traktor gibt es eine integrierte Garage für den notwendigen Pkw.

Foto: Gustav Willeit
Das Haus besitzt einen großzügigen Mittelgang. Fotos: Gustav Willeit
Foto: Gustav Willeit

Großzügiger Mittelgang

Die ausdifferenzierten Räume sind quasi monofunktional, das Haus Buchen muss nicht Geräten, sondern dem Familienduktus einer modernen Gesellschaft Unterschlupf bieten. Der Grundriss ist eine gewohnt saubere, aufgeräumt orthogonale Geschichte. Das Familienleben ist um einen großzügigen Mittelgang organisiert, der sich vom Eingang bis in die Wohnküche zieht. Diese und die Schlafzimmer sind nach Süden hin orientiert und öffnen sich zu einer in der Kubatur eingeschriebenen Veranda, dem sogenannten „Schopf”. Er ist typisch für Bregenzerwälder Häuser und diente vormals der Hauswirtschaft und der Aufbereitung für Vorrat, wie etwa dem Trocknen von Kräutern. Heutzutage hat er keine derartige ökonomische Notwendigkeit mehr, stattdessen ist er ein ergänzender wettergeschützter Aufenthaltsbereich.

Foto: Gustav Willeit
Auch das Innere des Hauses ist zum Großteil aus Holz gestaltet. Fotos: Gustav Willeit
Foto: Gustav Willeit

Neudefinitionen

Die Anleihen an traditionelle Strukturen sollen etwas wohl Unmögliches tun: Die Ansprüche an die neue Architektur legitimieren. Das Haus in seiner modernen Schönheit wird trotzdem immer von einem alten Vorarlberger Bauernhaus auf den ersten Blick unterscheidbar sein. Die Übernahme von Elementen wie dem Baumaterial (Holz) oder der Veranda (dem „Schopf”) ist in Wahrheit eine gänzliche Neudefinition der Dinge selbst. Das Leben innerhalb eines Einfamilienhauses wird nicht nachhaltiger, wenn es einen Ort gibt, an dem auch Kräuter zum Trocknen hingehangen werden könnten. Es wird nicht einfacher, wenn der Grundriss orthogonal ist. Und es wird auch nicht anspruchsloser, wenn alles schnörkellos ist. Der Wunsch nach all dem ist letztlich menschlich.

Pläne: Bernardo Bader Architekten
Pläne: Bernardo Bader Architekten
Pläne: Bernardo Bader Architekten

Moderne Formensprache

Die Orientierung an der vernakulären Architektursprache in Vorarlberg hat heutzutage einen hohen Stellenwert. Die Gebäude stehen für handwerkliche Qualität, Bodenständigkeit und eine gewisse Reduktion, die Ruhe und Kontrolle verspricht. Mit moderner Formensprache werden diese Elemente in die Gegenwart geholt und erfreuen sich unter Bauherrinnen großer Beliebtheit. Vorarlberger Architektur ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Was dabei bleibt, ist der nicht von der Hand zu weisende Spagat zwischen einer romantisierten Vergangenheit und dem Anspruch eines modernen Alltags — zwei Konzepte, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

„Ganz selbstverständlich steht es nun da […]. Für uns ist das Wichtigste, dass ein Mehrwert entstanden ist.”, so die Architekten über das Projekt. Die Frage nach dem Mehrwert eines Neubaus in einer ländlichen Umgebung bleibt wohl eine offene. Stattdessen ist es ein architektonisch zweifellos wunderschönes Beispiel des Auslaufmodells Einfamilienhaus.

Ebenfalls von Bernardo Bader Architekten: das Haus Iglasee in Holzelementbauweise. 

Scroll to Top