Jeden Morgen, nachdem sich das Firmen-Intranet automatisch im Browser geöffnet hat, gebe ich im zweiten Tab „Google“ ein. So startet mein Arbeitstag. Die Google-Seite ist mir vertraut, sie ist mein Freund. Und hilft mir durch den ganzen Web-Tag.
Letzte Woche dann der Schock. Google hat ein neues – mir fremdes – Gesicht: ein neuer Schriftzug. Gott sei dank, merke ich, sind die den Buchstaben zugewiesenen FarbenFarben: Verschiedene Empfindungen, die durch Licht unterschiedlicher Wellenlänge erzeugt werden. gleich geblieben: Blau, Rot, Gelb, wieder Blau, zur Abwechslung Grün, prägnantes Ende mit Rot, alles noch da, puh. Gut, denn ansonsten hätten wir uns nicht mehr erkannt. Aber was ist jetzt eigentlich anders? Die Serifen sind weg!
An Tag zwei des neuen Google-Gesichts war ich wieder überrascht – diesmal aber nur kurz. Achja, das neue Logo. Immerhin, Google, bist du noch unter derselben Adresse zu finden, die Serifen sind weggezogen, ihr habt euch getrennt, das hinterlässt dich irgendwie jünger aussehend. Fast kindlich. Kein Thema, wir bleiben in Kontakt, bis nächste Woche habe ich mich sicher schon an den kahlen Ausdruck gewöhnt, und Ende des Monats weiß ich wahrscheinlich schon gar nicht mehr, wie du mit Serifen ausgesehen hast. Das kann ich ja dann googeln.
Aber warum hat Google seine Serifen ins Jenseits verbannt? Vielleicht, um anderen Online-Riesen nachzueifern, der Serifenkill bei Ebay oder Yahoo ist längstens vollzogen. Wer sich mit dem Thema Internet beschäftigt, weiß, dass das menschliche Auge auf einem Bildschirm ganz anders liest, als beispielsweise in einer Zeitung. Und jetzt gibt es nicht mehr nur große Bildschirme, sondern auch Tablets, Handys, Smart Watches. Der Schriftzug, auch Google, muss in immer kleinere Kästen – und dabei trotzdem lesbar bleiben. Das neue Logo fügt sich also einem digitalen „form follows function“.
Oder auch ein „form follows Firmenwandel“. Denn Google, mit dem wir im ersten Moment eine gut strukturierte Suchmaschine verbinden, hat als Unternehmen weitere Unternehmen gegründet. Viele Unternehmen. Themen sind Mobilität, aber auch Gesundheit. Bei so vielen Gebieten weiß das Unternehmen nicht mehr, welche Erträge es womit macht. Darum hat sich Google jetzt in die Holding „Alphabet“ verwandelt, an der Spitze unter anderem die alten Google-Chefs. Google ist Alphabets größte Tochtergesellschaft (als wirtschaftlich zunächst stärkster Bereich). Bringen soll das Ganze also die strukturelle Rettung des Unternehmens. Klar, dass die transparenter werdende Struktur dann auch die verschnörkelten Serifen abschütteln muss.