Wenn es die Gentrifizierung nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Weil sonst eine ganze Generation sozial gesinnter Stadtbetrachter ohne Gesprächsthema wäre. Auf den vielen Partys, die vorzugsweise in gentrifizierten Altbauten stattfinden. Der Grundwiderspruch wurde oft beschrieben: Der Gentri-Kritiker hat aus seiner Altbauwohnung jene Arbeiter vertrieben, die er nun schmerzlich vermisst. Diesen Schmerz münzt er in wonnevolle Kapitalismusschelte um. So wird ihm Gentrifizierung zum steten Herzensthema, eine Art G-Punkt der Globalisierungskritik.
Der Gentrifizierer-Selbsthass hat natürlich ein bisschen was Tragisches. Wie entgeht man dieser Tragik? Ganz einfach: Man malt ein sehr genaues Bild des echten, wahren, wirklich bösen Gentrifizierers und erzählt dann allen, dass man so ja nun wirklich nicht ist. Bravourös führt das jetzt ein Journalist der Süddeutschen Zeitung vor. Er lässt sich aus über ein Stück urbanen Wohnungsbau im Münchner Glockenbachviertel (quasi dem Epizentrum des Gentrifizierer-Empires). Die „Glockenbachsuiten“ von Allmann Sattler Wappner sind das Objekt seiner scharfsinnigen Observation. Auf deren Dach breitet sich der Gentri-Dämon aus. So erspäht der Kritiker dort Männer in „frisch polierten Lederschuhen“. Potztausend. Und dann tragen die auch noch „elegante Chino-Hosen“! In denen kann doch nur der Teufel stecken. Zumal zu allem Überfluss auch noch die Hemden „frisch gestärkt“ sind, wie der Analysator herausgefunden hat. (Vermutlich ist er gar auf Tuchfühlung gegangen? Hat quasi das Übel am Schlafittchen gepackt? Den Teufel bei den frisch gestärkten Hörnern?)
Doch nicht nur ist er ein wagemutiger Bändiger des Bösen. Er ist auch eine ungemein coole Sau, wie er selber findet und am Ende seines Textes betont. Da malt er sich aus, wie er mit einer Flasche! Bier an der Isar sitzt und den Gentrifizierern ins Zimmer schaut. Was für ein lässiger Typ! Und kreativ noch dazu – hat er doch rausgefunden, dass er von dort aus auf deren Flachbildschirmen umsonst Fußball gucken kann. Ein wirklich gewitzter Konter dieser kalten, gefühllosen Welt des Großkapitals, in der so sinistre Objekte die Wohnungen beherrschen wie – Fernseher! Als wenn die gestärkten Hemden nicht genug wären. Da trennt sich nun wirklich Gutmensch vom Böswohner.
Oder – vom Parvenü. In diesem Begriff kulminiert die kleine Stilkritik der SZ. Wikipedia weiß: Ein Parvenü ist eine in der ersten Generation zu Reichtum gekommene Person, der die Unfähigkeit unterstellt wird, sich an die Umgangsformen und Konventionen sogenannter besserer Kreise anzupassen. All das trifft natürlich auf die Chinofraktion zu. Unser schlauer Autor hat es an ihren Hemden erkannt.