03.10.2020

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Vor 30 Jahren: Gemeinsame Erklärung von Architekten der DDR und der Bundesarchitektenkammer

Virgil Abloh

miniform sind Viktoria Hohl

 

In der Juliausgabe 1990 des Baumeisters veröffentlichte die Redaktion einen Ausschnitt aus einer gemeinsamen Erklärung der west- und ostdeutschen Architektenschaft:

„Am 28. Mai 1990 fand in Berlin die 57. Bundeskammerversammlung in Anwesenheit von DDR-Architekten statt. In der verabschiedeten Erklärung wurde u. a. gefordert: – Zur städtebaulichen Neuordnung auf dem Gebiet der DDR: Ziel dabei ist die Bewahrung des deutschen baukulturellen Erbes, eine wesentliche Voraussetzung für die Identifikation der Bürger mit ihrer Heimat. (…)

Stadtplanung, Stadtentwicklung und Landschaftsplanung müssen deshalb vorrangiges Ziel der Regionalpolitik sein. Die Architektenschaft der DDR wird … hierfür Verantwortung übernehmen. Nur auf diesem Weg kann ungeordnete Investitionspolitik mit wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgeschäden verhindert werden, wie es in der Bundesrepublik Deutschland nicht verhindert werden konnte. (…)

Über Architektur darf nicht nach Produktionskriterien entschieden werden. Die Produktion hat sich der Planung unterzuordnen. Sie ist Instrument zur Durchführung der Ideen. Dies verlangt nach einer Trennung von Planung und Bauausführung. (…)

Außerdem wurden die Einrichtung von Architektenkammern auf Länderebene, die Förderung von Existenzgründungsmaßnahmen, die Sicherstellung der ausschließlichen Bauvorlageberechtigung für Architekten gefordert.“

Es ist bemerkenswert, wie hellsichtig die Architekten aus beiden Teilen des noch getrennten Landes auf die Gefahren hinwiesen, die den erhaltenen Stadt- und dem Landschaftsbildern im Osten Deutschlands durch den Systemwandel drohten. Aber auch die Aufbruchsstimmung schimmert durch diese Erklärung, eine Verantwortungsbereitschaft, die den Berufsstand über die noch bestehende Grenze verband.

So übersiedelte mein Schwiegervater nach seiner Pensionierung im Stadtplanungsamt Münster in die Stadt Brandenburg, um im Zuge der Amtshilfe die dortigen Kollegen bei der Aufbauarbeit zu unterstützen. Er musste erleben, wie schwer es für die neugewählten Amtsträger und kommunalen Behörden war, dem Druck der westdeutschen Investoren etwas entgegenzusetzen. So wurden viele Fehler wiederholt, um die man eigentlich aus der Vergangenheit schon wusste. Insbesondere die zahllosen Einkaufszentren, die auf der grünen Wiese entstanden und die Zersiedlung und Autofixiertheit nun auch in großem Maßstab in den Osten brachten, hätte er gern in Brandenburg verhindert. Vergebens – zu groß war der Wunsch der Bevölkerung nach westlichen Konsumartikeln, zu lang die Zeit, um damit bis zur Wiederinstandsetzung der heruntergekommenen Innenstädte zu warten, zu verlockend die Versprechen der Investoren und Bauunternehmer.

Trotz dieser Wehrmutstropfen: Es darf nie übersehen werden, welch herkulische Leistung der Berufsstand der Architekten im Anschluss an den Mauerfall gemeinsam auf dem Gebiet der vormaligen DDR geleistet hat. Historische Bauwerke sind in riesiger Anzahl gerettet und saniert worden. Behutsame Stadtreparatur hat dazu geführt, dass viele Städte und Dörfer im den „neuen“ fünf Ländern heute zu den schönsten im Land zählen – man denke nur an Görlitz oder Quedlinburg. Und auch Brandenburg ist heute, trotz aller vielleicht vermeidbarer Fehler, die bei der städtebaulichen Neugestaltung nach 1989 gemacht wurden, von einer grauen, halbverfallenen Provinzstadt zu einem beliebten und attraktiven Zentrum im Umland Berlins geworden. (fap)

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