05.10.2020

Wohnen

Antonionis spektakuläres Sommerhaus verfällt

Der architekturhistorisch bedeutenden Villa, die sich Michelangelo Antonioni in den Sechzigerjahren als Sommerhaus auf Sardinien errichten ließ, droht die Zerstörung durch Vernachlässigung. Eine Initiative versucht nun, den Bau zu retten. 

 

Ende der 1960er Jahre ließ italienische Regisseur Michelangelo Antonioni für sich und seine damalige Lebensgefährtin, die Schauspielerin Monica Vitti, eine Sommerhaus auf Sardinien bauen. Heute ist das futuristische Architektur-Juwel vom Verfall bedroht. Wie ein gestrandetes Ufo liegt das Haus an der Nordwestküste Sardiniens inmitten bizarrer Felsformationen, das der Ferrarreser Regisseur Michelangelo Antonioni (1912-2007) für seine Geliebte, die Schauspielerin Monica Vitti (geb. 1931), Ende der 1960er Jahre erbauen ließ. Der berühmte Filmemacher der Cinecittà hatte sich während der Dreharbeiten zu „Deserto Rosso“ („Die Rote Wüste”) auf der Insel Budelli in den rauhen Landstrich mit seinem rosafarbenen Sandstrand verliebt.


Ballon als Baugerät

 

La Cupola („Die Kuppel“) sah damals aber nicht nur futuristisch aus, auch die für den Bau verwendete Technik war höchst innovativ. Architekt Dante Bini (geb. 1932) hatte 1964 dafür ein Patent angemeldet. Die sogenannte Binishell ist eine Stahlbetonkonstruktion, die durch Luftdruck angehoben und geformt wird – im Grunde ein großes Dach, eine über einen hausgroßen Gummiballon gegossene Betonschale. Fenster, Türen und ein Steg als Zugang sind in die dünne Betonkuppel hineingeschnitten. Monica Vitti hatte Bini während eines Urlaubs in Cortina d‘Ampezzo kennen gelernt und war von seinen visionären Ideen und ressourceschonenden Projekten begeistert. Heute gibt es weltweit mittlerweile mehr als 1.500 Gebäude in der Binishell-Technik. Binis Sohn Nicoló entwickelte die Bauweise mittels 3-Druck weiter.

 

Sommerhaus und Treffpunkt der Filmwelt

Antonionis sphärenförmiges Gebäude produzierten die sardischen Bauunternehmer Giovanni und Sebastiano Pola. Der Betonmischung gaben sie lokalen Granit bei, damit sich das Haus gut in die Landschaft einfügt. In nur einem Tag wurde die „Cupola“ fertiggestellt. Auf der Insel wurde sie schnell zu einem Architektur-Highlight – und zu einem Treffpunkt der italienischen Film- und Kunstwelt. Drei Sommer verbrachten Michelangelo Antonioni und Monica Vitti dort in ihrem Sommerhaus zusammen, dann trennte sich das Paar.

Antonionis Tochter soll die utopische Residenz schließlich an eine neapolitanische Familie verkauft haben, die es seit Jahren verfallen lässt. In den letzten Jahren war die „Cupola“ Gegenstand verschiedener künstlerischer Initiativen, wie der Dokumentarfilm „La Cupola“ (2016) von Regisseur Volker Sattel erzählt. Sein Vierzigminüter zeigt sogar noch viele originale Möbel aus den 1960er Jahren. Doch das verlassene Gebäude zieht nicht nur Architektur-Enthusiasten, Kinoliebhaber und Journalisten aus aller Welt an. Es ist auch zur Zielscheibe von Vandalismus geworden und verwahrlost immer mehr. Deutliche Schäden wie abgeplatzter Beton und freiliegende Bewehrung sind an der Außenhülle und am Steg sichtbar.

 

Kampf um die Erhaltung

Als großer Fan und Befürworter der Erhaltung der „Cupola“ gilt Rem Koolhass. Der niederländische Star-Architekt bezeichnete das Sommerhaus als „eine der besten Architekturen der letzten hundert Jahre“. Mittlerweile haben sich viele Architekten, Architektur- und Kino-Aficionados für die Erhaltung und Sanierung der Bausubstanz ausgesprochen. Der futuristische Bau wurde nun vom italienischen Kultusministerium unter Denkmalschutz gestellt: Ein Abriss ist somit schon mal vom Tisch. Eine internationale Petition des Vereins „De Rebus Sardois“ auf der Plattform Change.org soll jetzt das Bewusstsein der lokalen und nationalen italienischen Institutionen für eine sachgemäße Instandsetzung schärfen und die derzeitigen Eigentümer in das Projekt involvieren, um die „Cupola“ letztendlich der Öffentlichkeit zugänglich zu machen: Jede Unterschrift zählt.

Alle Fotos: FAI

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