02.11.2015

Öffentlich

Entdeckt Los Angeles den öffentlichen Raum?

Die immer stärker wachsende Bevölkerungsgruppe der Latinos verändert die USA, auch städtebaulich. Der Stadtplaner und Künstler James Rojas erklärt am Beispiel von Los Angeles, wie die Raumvorstellungen und kulturellen Werte der Latinos den öffentlichen Raum prägen.

Die überwiegende Mehrheit der amerikanischen Einfamilienhäuser wurde im 20. Jahrhundert nach den Werten und räumlichen Anforderungen der dortigen Arbeiterklasse und Mittelschicht und gemäß deren sozialen, kulturellen, gestalterischen und wirtschaftlichen Bedürfnissen und Träumen gebaut. Die vielen lateinamerikanischen Einwanderer, die nun in diese Häuser einziehen, bringen allerdings eine Haltung gegenüber dem Wohnen, öffentlichen Raum und den Grundstücksfragen mit, die oft im Konflikt damit stehen, wie diese Stadtteile und Häuser ursprünglich geplant, zoniert, gestaltet und konstruiert wurden. Die neuen Latino-Bewohner fügen entsprechend den überkommenen amerikanischen Raumformen ihre eigenen kulturellen Lebensmuster hinzu und schaffen so einen „einheimischen“ Latino-Urbanismus. Sie finden für ihre Häuser kulturelle, wirtschaftliche und ökologische Lösungen nach ihren individuellen Vorstellungen und Bedürfnissen. Jede kleine Veränderung, sei sie auch noch so klein, hat für Latinos einen tieferen Sinn und Zweck und steht für die Kämpfe, Triumphe, Alltagsgewohnheiten und Überzeugungen der neuen proletarischen Einwohner. Sie verbinden kulturelle Stile, die weder „spanisch“ – im allgemeinen Verständnis – noch angloamerikanisch sind. Daraus resultiert eine Schönheit, die sich nicht an architektonischen Standards messen lässt, sondern aus den Erfahrungen, Ausdrucksformen und Anpassungsvorgängen des Lebens folgt. Diese Architektursprache repräsentiert die Anpassung der Latinos an ihre Umwelt.

Öffentlich versus privat, Außenraum versus Innenraum

Viele Latinos kommen aus den ländlichen Gebieten Mexikos oder Lateinamerikas, wo sich das soziale, kulturelle – und zum Teil auch wirtschaftliche – Leben um den „Zócalo“, den städtischen Platz, dreht. Dieser Platz ist für die Bewohner eine Erweiterung ihres Zuhauses. Der Dialog zwischen diesem Zuhause und dem öffentlichen Platz zeigt sich auch darin, wie Latinos ihre Einfamilienhäuser in den USA gestalten: Wegen des warmen Wetters und nach spanischem Vorbild der Stadtgestaltung grenzt das traditionelle mexikanische Hofhaus an die Straße und hat einen Patio. Dieser Innenhof kühlt, belichtet und belüftet das Haus. Da die meisten Zimmer zum Hof ausgerichtet sind, bildet er die tatsächliche Mitte des Hauses. Im Gegensatz dazu ist das amerikanische Haus linear von der Vorderseite zur Rückseite aufgebaut. Die öffentlichen Bereiche wie das Wohnzimmer liegen vorn, die privaten (wie Schlafzimmer) hinten. Im mexikanischen Haus dagegen geht es darum, ob man sich drinnen oder draußen aufhält, nicht um „vorne“ oder „hinten“. Privatsphäre ist in der Regel kein Thema.

Mehr dazu finden Sie im Baumeister 11/2015

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