02.11.2015

Öffentlich

Broad Museum: Downtown baut an

Los Angeles bekommt einen neuen Kunsttempel. Das Broad Museum präsentiert sich als Anti-Gehry. Vor allem aber schafft es ein unprätentiöses, lustvolles, sozusagen LA-gemäßes Kunsterlebnis.


Schleier vor Schatzkiste

Die Geschichte von Downtown Los Angeles ist eine Erzählung von Schuld und Sühne. Von planerischer Schuld und urbaner Sühne, genauer gesagt. „Bunker Hill“, das Viertel, in dem dieses Fatamorgana-hafte Downtown steht, war mal ein dynamischer Stadtteil, mit sozialen Problemen und Kriminalität zwar, aber definitiv urban vital. Dann, in den 1950er Jahren, wollte die Stadt groß aufräumen. Außerdem hatte Los Angeles kein „Downtown“, kein Hochhausviertel wie New York oder Chicago und folglich auch keine beeindruckende Skyline. Die Bagger kamen, und die oft noch aus dem späten 19. Jahrhundert stammenden, dicht bewohnten Häuser wurden platt gemacht. Ebenso wie der Berg selbst, dem quasi die Kappe abgesäbelt wurde. Was kam, war ein Hochhausgebiet mit vielen ikonischen Gebäuden, eine faszinierende Ansammlung architektonischer Visionen, aber sicher kein im herkömmlichen Sinne urban lebendiger, gesellschaftlich heterogener Ort.

Ein Showparcours einer von sich selbst begeisterten Moderne. Vor diesem Hintergrund versteht man schnell, warum Los Angeles schon seit den 1960er Jahren so viel daran setzt, den Bürotürmen und den (sich momentan rasant vermehrenden) teuren Wohngebäuden einen Kunstdistrikt an die Seite zu setzen. Man will eben nicht als nur kommerzfokussiert und geistlos gesehen werden. Ab 1964 eröffnete der Music Center des Angeleno-Architekten Welton Becket. Arata Isozakis Museum of Contemporary Art kam 1979 hinzu. 2003 swingte Frank Gehry seine gleißende Concert Hall neben die herrlichen Linien Welton Beckets. Und nun „The Broad“, ein Stiftermuseum der einflussreichsten Sammlerfamilie der Stadt, Ely und Edythe Broad.

 

Ein auf- und angeschnittener Kasten, kompakt, aber nicht abweisend. 4.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche werden hier kombiniert mit dem Depot für die gesamte Sammlung der Broads. Das war die zentrale Gestaltungsidee und sicher auch eine Vorgabe der Bauherren: Das Museum soll eine Ausstellung zeigen, aber auch die gerade nicht gezeigten Werke beherbergen. Elisabeth Diller, die den Lead bei diesem Projekt inne hatte, legte die Depots demonstrativ ins Zentrum des Gebäudes, umgeben von einer grauen Betonhülle. „The Vault“ nennt sie das, also die „Schatzkiste“. Diese sieht man, wenn man den Schleier der Fassade, „the veil“, wegzieht. Dieser Schleier ist das wichtigste Erkennungszeichen des verschiedentlich angeschnittenen Kunstpalastes. Keck, aber nicht hysterisch kichernd leuchtet dieser in Richtung der Türme Downtowns. Der Sonne Kaliforniens bietet er dabei genügend Ecken und Kanten für charmant variierende Schattenspiele.

Echte Einblicke von außen nach innen gewährt die perforierte Fassade zwar nicht wirklich, doch sie formuliert ein offenes, auch neugieriges Signal in Richtung Stadt: Ich weiß, dass Du da bist. Die Architektin positioniert das Museum so als Gegenpol zu Gehrys sich abschottender und damit leicht selbstgefälliger Musikhalle. Zur viel befahrenen Grand Avenue hin locken an den Ecken des Gebäudes zwei zwar etwas geduckte, aber nicht versteckte, sondern eher geheimnisvolle Öffnungen: Kommt rein, dies ist ein Kunstraum. Und zwar einer für alle. Der Eintritt zu der imposanten Sammlung zeitgenössischer, mehrheitlich amerikanischer Kunst wird gratis sein. Und mit dem schönen Rasengärtchen seitlich des Museums schafft das neue Broad sogar etwas, was Los Angeles sonst eher als konzeptionellen Fremdling betrachtet: einen öffentlichen Raum mit Aufenthaltsqualität.

Mehr dazu finden Sie im Baumeister 11/2015.

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