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Ein neues Stück Stadt für Wien

Seit einem Monat arbeitet Academy Gewinnerin Franzisca Rainalter als Praktikantin bei AllesWirdGut Architektur in Wien. Nebenher besichtigt sie nachhaltige Wohnquartiere in ihrer Gaststadt. Diese können sozial, ökologisch oder wirtschaftlich nachhaltig sein. Das erste Projekt Ihrer Serie ist das Wohnprojekt Wien von dem Architekturbüro einszueins. 

Meine erste Investition in Wien ist ein gebrauchtes Rad, mit welchem ich in den nächsten sechs Monaten die Stadt entdecken werde. Mein erstes Ziel: Das „Gräzel“ der Bewohner des „Wohnprojekt Wiens“ in das Nordbahnviertel im 2. Bezirk. „Grätzl“ ist wienerisch und steht für Teile von Wohnbezirken, mit denen sich die Bewohner identifizieren.

Die Umgebung des Nordbahnviertels wirkt, als sei sie über Nacht aus dem Boden gewachsen. Nichts scheint hier über die Zeit entstanden zu sein, viele der Neubauten sind noch nicht bezogen. Die Gegend scheint ausgestorben. Doch eines Tages soll hier Leben einkehren, denn das Viertel zählt zu den größten innerstädtischen Entwicklungszonen Wiens. Seit Jahren entstehen hier neue Wohnflächen und Arbeitsplätze.

Ein neuer Stadtteil für Wien

Inmitten dieser zum Teil noch leerstehenden Wohnhäuser gibt es einen Ort, an dem es vor Leben nur so wimmelt: eine Spiel- und Liegewiese mit Spielplätzen, Sitzbänken, Basketball- und Volleyballplätzen, ein Skatepark und Baumgruppen inmitten derer Hängematten gespannt sind. Direkt an dieser Grünfläche liegt das „Wohnprojekt Wien“, das Ziel meiner kleinen Radtour.

Der Planungszeitraum des Gemeinschaftsprojektes fand von 2010 bis 2013 statt, es sollte sich ein dörfliches Zusammenleben in der Großstadt entwickeln; innovativ und nachhaltig, ökologisch und sozial. Entstanden ist das „Wohnprojekt Wien“ in einem partizipativen Planungsprozess der Bewohner und Bewohnerinnen, dem Architekturbüro einszueins und dem Bauträger Schwarzatal. Gemeinsam verwalten die Beteiligten es nun zusammen.

Das Wohnprojekt Wien

Die Gewerbefläche im Erdgeschoss nutzt das Architekturbüro einszueins.
Kreidegemälde vor dem Quartierseigenem Café Salon am Park

Erschliessungswege als Gemeinschaftsorte

Kinder kommen mir auf ihren Fahrrädern und Skateboards entgegen, ein älteres Pärchen sitzt vor einem kleinen Laden in der Erdgeschosszone, beide essen ein Eis, zwei Mädchen malen mit Kreide Gesichter auf den grauen Asphalt – die perfekte „Wohnidylle“ an einem Spätsommertag im September.
Ich wandere um das „Wohnprojekt Wien“ und erhasche einige Einblicke in das Wohngebäude der Bewohner und Bewohnerinnen . Ich setze mich auf eine der Bänke neben dem Kinderspielplatz und beobachte das Treiben.

Das „Wohnprojekt Wien“ ist ein achtstöckiges Mehrfamilienhaus, in dem seit 2013 circa 70 Kinder und Erwachsene leben und wohnen. Die einzelnen Wohnungen weisen alle individuelle Grundrisse auf, mit Flächen von 54 bis 119 Quadratmetern und bieten so Lebensräume für Singles, Wohngemeinschaften und bis zu sechsköpfigen Familien. Wichtiger Bestandteil des Wohnprojekts sind die Gemeinschaftsflächen: Auf über 700 Quadratmetern befinden sich Saunen, eine Bibliothek, Dachterrassen und Gästeapartments. Die Gemeinschaftsflächen machen über 25 Prozent der Gesamtfläche aus, und stellen ein Vielfaches der 3-5 Prozent dar, die im Wohnbau üblich sind.

Verschiedene Zonen bieten sowohl Rückzugs- als auch Begegnungsorte
Der „Salon am Park“ belebt die Erdgeschosszone

Der Superblock in der Nachbarschaft

Auch die Erschließungswege dienen als Kommunikationsraum. Durch die Öffnungen im Baukörper fällt Licht auch in den Kern des Hauses. Von Außen kann ich so beobachten, wie Kinder in den Gängen herum laufen und als zusätzliche Spielfläche nutzen.
Weiters verfügt der gemeinschaftliche Wohnbau über eine Gemeinschaftsküche, einen Kinderspielraum, eine Werkstatt und dem Kaffee „Salon am Park“ in der Erdgeschosszone. Diese Räume öffnen sich der Umgebung und beleben so den öffentlichen Raum. Unter dem Wohnprojekt befindet sich keine Garage für Autos, anstatt dessen gibt es einen Raum, in dem hundert Fahrräder Platz finden. Um dennoch auch auf weiteren Strecken mobil zu bleiben, haben die Bewohner ein privates Carsharing mit sieben Autos entwickelt.

Zeitgleich dem „Wohnprojekt Wien“ mit seiner Holzfassade und den mittlerweile grünen Balkonen, entstand nebenan das Projekt „wohnen mit scharf“, von den Architekten SUPERBLOCK. Ein auf Migranten zugeschnittenes Haus, das man wegen seinen pinkfarbenen Einschnitten schon von Weitem sieht. Neben den beiden Bauten befindet sich ein Gemüse- und Obstgarten, den sich die Bewohner der beiden Projekte teilen. Die Gärten sollen miteinander Verbinden, Gespräche anregen und die Kommunikation fördern. Dadurch entstand eine belebte Nachbarschaft, der die unterschiedlichen Bewohner zusammen bringt. Beweis dafür sind Kinder, die in den Hochbeeten nach Früchten suchen und zwei Erwachsene, die reifen Kürbisse ernten. Während ich auf meiner Bank sitze und das Geschehen beobachte, scheint mir, dass das Projekt sein Zeil erreicht hat: Entstanden ist ein Wohnraum, der Kommunikation fördert, in dem das Individuum aber nicht verloren geht.

Alle Bilder: Franzisca Rainalter

Die Baumeister Academy ist ein Praktikumsprojekt des Architekturmagazins Baumeister und wird unterstützt von GRAPHISOFT und der BAU 2019.

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