02.03.2016

Portrait

Die Grand Tour der Universitäten – Wien

Wien

Universität: Akademie der bildenden Künste, Technische Universität
Ort: Wien, Österreich
Abschluss: Master of Architecture, 5 Jahre Regelstudienzeit
Studierende: ca. 1.300 (Akademie), ca. 100 (Fakultät), ca. 29.000 (Universität), ca. 4.000 (Fakultät)
Interview mit: Anna Aichinger, 25

Um die Vielschichtigkeit der Architektur und ihrer Lehre zu verstehen, braucht es manchmal viel weniger als eine Reise um die Erde. Es kann schon reichen, die Bildungslandschaft einer einzigen Stadt zu betrachten. Wie wäre es beispielsweise mit Wien? Hier kann die Wahl des Institutes schon vor Studienbeginn einem Glaubensbekenntnis gleich kommen – glaube ich an die Angewandte / die Akademie oder die Technische Universität?

Meine Freundin, Anna Aichinger, hat sowohl an der TU, als auch an der Akademie studiert. Ihr Fazit: Sie würde beide Studiengänge nicht missen wollen. Die Unterschiedlichkeit der Systeme beginnt schon mit der Auslese der Studenten: Die TU nimmt jeden, der sich bewirbt, die Akademie nur jeden Fünften. Während man der TU nachsagt, das Architekturstudium eher pragmatisch anzugehen, lehrt man an der Akademie die Schönheiten des konzeptuellen Entwurfs. Für die Studenten bedeutet das, dass man sich letzten Endes entscheiden muss: Will ich lieber wissen, wie mein Gebäude funktioniert, wo die Fluchtwege sind und wie groß die Abstandsflächen sein müssen oder ist es mir wichtiger, meine Entwürfe präsentieren zu können, 1:1 Modelle zu bauen, Geschichten zu erzählen. Diese Differenzierung wirkt sich schließlich auch auf die Jobsuche aus. Studenten der Akademie werden oft direkt nach dem Studium abgeworben, von ihren eigenen Professoren oder den großen Wettbewerbsbüros. Will man aber eher funktionale Architektur entwerfen, oder sogar Bauleiter werden, hat man es mit einem Abschluss an der TU wesentlich leichter. Auch der Studienalltag an den beiden Universitäten ist grundverschieden. An der TU lernt man Eigenständigkeit und Durchsetzungsvermögen. An der Akademie kann man seine eigenen Ziele verfolgen, wird dabei aber an die Hand genommen und so gut es geht unterstützt. Man muss sehr viel leisten, kann sich dann aber auch sicherer sein, nicht durchs Netz zu fallen. Während man an der Akademie in kleinen, familiären Gruppen studiert, schützt einen die Anonymität der TU vor Konkurrenzdenken und sozialem Stress.

Es scheint so, als müsse man schon vor seinem Studium in Wien wissen, zu welchem Schlag Mensch man gehört. Während in den meisten Städten diese Frage mangels Alternativen nie gestellt wird, hat man in Wien den Luxus von gleich drei Architektur-Fakultäten mit hervorragenden Ruf. Gerade weil die Konkurrenz innerhalb der Stadt so groß ist, ist hier der Wunsch der Fakultäten, sich zu positionieren, besonders augenscheinlich. Falls man sich weder für Schwarz noch Weiß entscheiden kann, bleiben einen noch immer alle Graustufen dazwischen. Man kann sich, so Anna, einfach das Beste aus beidem herauspicken.

Dieser Beitrag wird unterstützt von Graphisoft und der BAU 2017

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