27.05.2016

Event

Deutscher Pavillon in Venedig: Für immer offen lassen?

Öffnung des Pavillons zur Wasserseite

Es ist eine rundum gelungene Geste: Eine radikale Öffnungskur haben die Kuratoren des Deutschen Pavillons auf der Architekturbiennale dem so massiv vorbelasteten Gebäude verpasst. Vier große neue Einlässe haben Peter Cachola Schmal, Oliver Elser und Anna Scheuermann von Deutschen Architekturmuseum (DAM) in den Bau hineingekeilt, nach hartem Kampf mit der Denkmalpflege in Venedig. Darin zeigen sie eine sehr politische Auseinandersetzung mit dem Thema Zuwanderung (mehr dazu hier in der kommenden Woche; der morgen erscheinende Print-Baumeister widmet sich dem Pavillon ebenfalls ausführlich). Eine Frage aber kam bei der Eröffnung des Pavillons heute auf: Wenn die Eingriffe der Frankfurter doch so überzeugend sind, warum sie dann nach Ende der Biennale wieder rückgängig machen? Sogar Biennale-Chef Paolo Baratta plädierte für die Offenheit als Dauerlösung.

Die Idee hat einiges für sich. In der Tat war es dem Team und dem Berliner Büro Something Fantastic ja nicht darum zu tun, den Pavillon nach Art Hans Haackes möglichst bildreich zu zertrümmern. Es geht in dem Projekt um die Offenheit als Symbol für die deutsche Gesellschaft, aber auch ganz praktisch um die Vorzüge einer neuen Offenheit für diesen konkreten Raum. Der Pavillon ist plötzlich hell, luftig, frisch, fast leicht. Das wollen wir doch immer von Gebäuden, gerade auch von gelungenen Ausstellungsräumen.

Und tatsächlich kann man sich vorstellen, dass der so transformierte Donghi-Haiger-DAM-Bau wirklich auch künftigen Kuratoren von Kunst- und Architekturbiennalen räumliches Material bietet. Sie könnten sich auf den Canale beziehen, auf die Guidecca gegenüber und die dortigen Kirchen. Auch die neue Sichtachse vom französischen Pavillon gegenüber bis hinaus aufs Wasser könnte inspirativ wirken.

Alles gute Argumente. Und dennoch möchte ich gegen die Offenheit als Dauerlösung plädieren. Und zwar aus kunstkonzeptueller Sicht. Der Pavillon hat in der Vergangenheit immer wieder zu herausragenden architektonischen und künstlerischen Ansätzen geführt – und zwar nicht als funktionierendes, heiteres, atmosphärisch angenehmes Gebäude. Sondern genau wegen seines Charakters des radikal nicht Angenehmen. Er ist seit seiner nazi-pompösen Umgestaltung durch Ernst Haiger ein Monstrum, an dem man sich abarbeiten muss – und das immer wieder auch konsequent getan hat. Haacke war ja nur ein Fall. Auch die Verschmelzung von Pavillon und Bonner Kanzlerbungalow durch Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis funktionierte nur wegen dem Gegensatz aus Luftigkeit des Sep Ruf-Baus und dessen trutzigem venezianischem Gegenstück. Oder denken wir an Gregor Schneiders „totes Haus u r“ aus dem Kunstbiennale-Jahr 2001. Es ging Schneider um die Doppelung zweier klaustrophobischer Gebäude. Mit Lichtheit hätte er nicht viel anfangen können.

Im Grunde ist dieser Pavillon längst kein Ausstellungsgebäude mehr. Es ist ein vielfach überformter, um die Ecke gebrachter und gedachter Raumtorso. Ein hysterisches Sammelbecken all seiner architektonischen Brüche und künstlerischen Phantasien. Jede weitere Transformation reichert ihn an – und stellt für künftige Kuratoren Material und Herausforderung zugleich dar.

Also: Als jeweils vorfreudiger Besucher von Kunst- wie Architekturbiennalen wünsche ich mir viele weitere grandiose Auseinandersetzungen mit dem Pavillon in düsterer Variante. So grandios, wie die diesjährige Auseinandersetzung des DAM es zweifelsohne ist.

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