Übernachten im Bauhausgebäude, in der Ikone der modernen Architektur, wo Funktionalismus, ein ausgeprägter Gestaltungswille und Ästhetik aufeinandertreffen. Die Formensprache des Bauhauses wirkt heute noch so aktuell, dass man seine damalige Radikalität nur allzu gut versteht. Das geht nicht spurlos an einem vorbei. Auch nicht an unserer Autorin, die im Ateliergebäude des nachts keine Ruhe fand. Das Bauhaus raubte ihr den Schlaf.
Neuer Putz fürs Jubiläum
Alles begann 1919 als Walter Gropius in Weimar das Bauhaus gründete. Einhundert Jahre später ist die Faszination ungebrochen, den Mythos des Bauhauses versuchen Unzählige zu ergründen. So auch ich. Warum also nicht gleich darin schlafen? Direkt im Bauhausgebäude, genauer im Atelierhaus, dem sogenannten Prellerhaus in Dessau ist das möglich. Schon damals, 1926, war das Gebäude eine Sensation, zum ersten Mal studierten, arbeiteten und wohnten Studenten und junge Meister unter einem Dach, in einem Schulgebäude, das gleichzeitig als Studentenwohnheim konzipiert war. Das fünfgeschossige Gebäude mit seinen markanten Balkonen an der Nordfassade, die als Kommunikationsaustritte dienten, hielt 28 Zimmer für die Bauhäusler bereit. Heute sind es 23, die Besuchern zur Übernachtung offenstehen. In einem davon, in Zimmer 3.54, richte ich mein Nachtlager ein. Über die Treppen erklimme ich Stockwerk für Stockwerk, die FarbenFarben: Verschiedene Empfindungen, die durch Licht unterschiedlicher Wellenlänge erzeugt werden. leiten mir den Weg. Im gelben Hausflur bin ich richtig. Hier im Prellerhaus spielen die Grundfarben des Bauhauses – gelb, rot und blau – eine große Rolle. So auch in meinem Zimmer, das die Farben rot und gelb sparsam aufgreift.
Ich habe Glück, ich kann aus meinem Fensterist eine Öffnung in der Wand eines Gebäudes, die Licht, Luft und Blick nach draußen ermöglicht. Es gibt verschiedene Arten von Fenstern, die sich in Größe, Form und Material unterscheiden können. Das Fenster ist ein wesentlicher Bestandteil der Gebäudearchitektur und hat sowohl funktionale als auch ästhetische Bedeutung. Es ist eine… direkt auf die Gropius-Allee, das Bauhausgelände und den Himmel über Dessau blicken. Die meisten Gäste sehen im Moment nur Baugerüste und -planen, denn die FassadeFassade: Die äußere Hülle eines Gebäudes, die als Witterungsschutz dient und das Erscheinungsbild des Gebäudes prägt. des Prellerhauses wird anlässlich der 100-Jahrfeier, die im September zur Eröffnung des neuen Museums ihren Höhepunkt erreicht, neu verputzt. In meinem Zimmer angekommen, bemerke ich sofort, dass mich trotz der spartanischen Einrichtung ein Gefühl der BehaglichkeitBehaglichkeit: Behaglichkeit beschreibt das subjektive Wohlbefinden eines Menschen in einem Raum. Sie wird von Faktoren wie Licht, Temperatur, Luftqualität und Akustik beeinflusst. umgibt. Kein Fernseher, kein Radio, kein unnützes Detail stört die Ästhetik des Raumes. Spätestens jetzt zieht mich die Körperlichkeit des Gebäudes, die für damalige Verhältnisse revolutionäre neue Auffassung von Raum und Gegenständlichkeit, in ihren Bann. Ich zähle die Möbelstücke: Insgesamt zehn finden sich auf den rund zwanzig Quadratmetern, die ich für eine Nacht mein Eigen nennen kann.
Schlaflos in Dessau
Mittlerweile ist es kurz vor halb zehn. Ich schalte das LichtLicht: Licht bezeichnet elektromagnetische Strahlung im sichtbaren Bereich des Spektrums. In der Architektur wird Licht zur Beleuchtung von Räumen oder als Gestaltungselement eingesetzt. aus, versuche zu schlafen und bin plötzlich wieder hell wach. Ein Feuerwerk erleuchtet den Himmel und stört die Abendruhe der sonst eher ruhigen rund 82.000 Einwohner zählenden Stadt, die mit dem Bauhaus und dem Gartenreich Dessau-Wörlitz, ganze zwei Weltkulturerbe-Stätten beheimatet. Mein Handy verrät mir, dass die Kurt-Weill-Festspiele beginnen und man den großen Dessauer Komponisten mit einem Feuerwerk vor dem Anhaltinischen Theater ehrt. Noch ein Exportschlager aus Dessau, denke ich. Ich versuche zu lesen, doch die Möbelstücke lenken mich ab. Freischwinger und Stahlrohrschreibtisch in Anlehnung an Marcel Breuer, zwei Schreibtischlampen aus StahlStahl: Ein Werkstoff, der aufgrund seiner hohen Belastbarkeit und Stabilität oft bei Gerüstkonstruktionen eingesetzt wird., zwei Papierkörbe, ein Waschbeckenist eine sanitäre Einrichtung, die zum Händewaschen, Gesichtsreinigung oder Zähneputzen verwendet wird. Es besteht in der Regel aus Keramik, Porzellan oder Glas und kann auf verschiedene Arten montiert werden, z. B. als Aufsatz- oder Unterbauwaschbecken. Ein Waschbecken ist ein wichtiger Teil der Sanitäreinrichtungen in jedem Haus oder Gebäude. Es ist…, ein Kleiderständer, ein grau-gelb lackiertes Regal, ein Bett aus rotem Stahlrohr und der rot-pigmentierte Steinholzestrichboden: Mehr braucht es nicht, um sich wohl zu fühlen. Trotzdem fällt es mir schwer einzuschlafen. Bin ich etwa zu aufgeregt im Angesicht so großer Namen wie Gropius, Feininger, Schlemmer, Kandinsky oder Klee?
Gropius’ Geist
Am Morgen frühstücke ich etwas müde, dafür aber ausgiebig im Bistro des Bauhauses, bin fasziniert von der internationalen Gästeschar, die mit mir das Wochenende hier verbringt. Ich buche eine Führung durch das Bauhaus, gehe die berühmte Schlemmertreppe auf und ab, sitze auf Breuers Stühlen im Bühnenraum, in dem Schlemmer wohl an seinem Triadischen Ballett arbeitete und bewundere die vorgehängte Glasfassade. Im Direktorenbüro bleibt mein Blick an der Replik des zeitlos schönen Gropius-Schreibtisches hängen, auf dem ein Telefon steht, das wie aus einem anderen Jahrhundert anmutet und doch nahezu demselben Jahr entstammt. Einmal mehr wird mir klar: Hier war man seiner Zeit weit voraus. Und es ging bei weitem nicht nur nicht um die Funktion. Gestaltung, Ästhetik, sprich die Schönheit in der Einfachheit, in der reduzierten Formensprachen waren das Maß aller Dinge. Zurück in den Fluren des Prellerhauses flackert das Licht an der Decke. „Das ist Gropius‘ Geist“, sagt die Architektin, die uns durch das Bauhaus führt. Vielleicht, denke ich, geht es ihm wie mir. Das Bauhaus lässt uns nicht in Ruhe.
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Informationen zu Hotel:
Zimmer ab 40 €
Adresse: Stiftung Bauhaus Dessau, Gropiusallee 38, 06846 Dessau-Roßlau