01.05.2020

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Was der Corona-Knick am Immobilienmarkt bedeutet

Illustration: Clemens Habicht


Warum die Zinsen niedrig bleiben

Die Pandemie hat den jahrelangen Preisanstieg auf dem Immobilienmarkt endgültig beendet. Volkswirt und Wirtschaftsjournalist Daniel Schönwitz beleuchtet heute, warum derzeit mehr für eine kurze Delle als für eine lange Talsohle spricht, warum Deutschland attraktiver für Zuwanderer wird – und warum in Zukunft neue Bürokonzepte gefragt sind. 

Aussagen über die Preisentwicklung am Immobilienmarkt sind derzeit heikles Terrain. Denn infolge der Corona-Krise ist die Zahl der Transaktionen deutlich gesunken; zahlreiche Käufer und Verkäufer haben ihre Pläne vorerst zurückgestellt. Der Markt sei „eingefroren“, berichten Makler. Zuverlässige Zahlen gibt es deshalb bisher nicht.

Schon jetzt ist allerdings absehbar: Wenn der Markt wieder in Bewegung kommt, dürften die Preise meist deutlich unter Vorkrisen-Niveau liegen. Schließlich sinkt wegen der Wirtschaftsflaute die Nachfrage – wer um seinen Job bangt, kauft eben keine Wohnung. Zugleich dürften etliche Eigentümer zu Notverkäufen gezwungen sind, weil sie Kreditraten nicht mehr stemmen können.

Wegen des toxischen Mixes aus sinkender Nachfrage und steigendem Angebot prognostiziert das Forschungs- und Beratungsinstitut empirica einen Preisrückgang von zehn bis 25 Prozent. Doch bevor sich Untergangspropheten jetzt die Hände reiben: Der Corona-Knick führt vermutlich nicht in eine jahrelange Talsohle. Noch 2021 könne es zu einer „Stabilisierung“ und sogar einem leichten Anstieg kommen, meinen die Experten.

Corona würde damit eine Delle, aber keine nachhaltige Trendwende auslösen. Für dieses Szenario spricht vor allem die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB): Die neue Präsidentin Christine Lagarde setzt den Kurs ihres Vorgängers Mario Draghi konsequent fort und versorgt die Banken weiter zu Vorzugskonditionen mit frischem Geld.

Die Deutsche Bank geht deshalb davon aus, dass die Zinsen für Immobilienkredite bis Ende nächsten Jahres kaum steigen. Und die Experten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) halten es sogar für möglich, dass sie in den nächsten Monaten weiter zurückgehen.

Wie auch immer: Es bleibt äußerst günstig, Geld für den Haus- oder Wohnungskauf zu leihen. Und je schneller die Konjunktur wieder anzieht, desto früher wird die Zahl derer steigen, die diese Chance nutzen. Weil sie nicht mehr in Kurzarbeit sind. Weil ihr Job wieder sicher ist. Weil ihr Laden wieder läuft. Die geplanten Konjunkturprogrammedürften die Delle somit spürbar verkürzen.

Warum Deutschland attraktiver wird

Noch ein weiterer Faktor könnte die Nachfrage stützen: die Zuwanderung. Denn so paradox es angesichts der heftigen Debatten hierzulande klingen mag – die Corona-Krise macht Deutschland attraktiver. Für Menschen, die der Armut entfliehen wollen, aber auch für Fach- und Führungskräfte.

Schließlich kommen wir im internationalen Vergleich bisher gut durch die Krise: Ein robustes soziales Netz sorgt für eine adäquate ärztliche Versorgung, nimmt Menschen die Angst vor dem Absturz und verhindert zugleich einen massiven Einbruch des Konsums. Außerdem ist genug Geld in der Staatskasse, um Unternehmen und Selbstständige entschlossen zu unterstützen.

Salopp formuliert: Dank einer Sozialen Marktwirtschaft, das solidarische Prinzipien mit solider Finanzpolitik verknüpft, wird Deutschland für viele zum Sehnsuchtsort. So halten die Empirica-Experten eine Zuwanderungswelle aus Südeuropa für „nicht unwahrscheinlich.“

Welche Immobilien künftig gefragt sind

Wenn die Nachfrage wieder anzieht, dürften sich Verkäufer allerdings mit neuen Präferenzen konfrontiert sehen. So dürften viele Käufer nach der Lockdown-Erfahrung größeren Wert darauf legen, dass eine Wohnung ein Arbeitszimmer, einen Balkon oder eine Terrasse hat.

Auch bei Büroimmobilien wird es zunehmend auf großzügige Raumkonzepte ankommen. So hat das Maklerhaus Cushman & Wakefield für die Corona-Zeit bereits das sogenannte „6 Feet Office“ entwickelt. Kern des Modells sind Flächenmarkierungen, die es Mitarbeitern erleichtern, die vorgeschriebenen Abstandsregeln einzuhalten.

Ich bin überzeugt: Solche Konzepte werden auch nach der Pandemie gefragt sein – und damit Immobilien, die im wahrsten Sinne des Wortes den Raum dafür lassen.

Hier finden Sie die letzte Kolumne von Daniel Schönwitz: Doppel-Booster für die Bauwirtschaft.

Daniel Schönwitz ist Wirtschaftsjournalist, Kolumnist und Medientrainer. Der Volkswirt lebt mit seiner Familie in Düsseldorf. Folgen Sie ihm auf Twitter.

Diese Kolumne ist Teil des Homeoffice Spezial, in dem wir täglich aus dem Blickwinkel der Architektur über die wichtigsten Neuigkeiten zur Corona-Pandemie berichten.

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