„Stimuli“ für nachhaltiges Wachstum
Mit einem milliardenschweren Konjunkturpaket will die Bundesregierung nach der Corona-Krise die Wirtschaft ankurbeln – und sie zugleich grüner machen. Volkswirt und Journalist Daniel Schönwitz heute zu: Wie der ökonomische Green Deal gelingen kann und welche Architekten jetzt ihr Profil schärfen sollten.
Auch wenn sich selbsternannte Visionäre derzeit mit steilen Thesen überbieten: Nach der Corona-Krise wird keineswegs „alles anders“ sein. Ich halte es sogar eher für unwahrscheinlich, dass wir die Pandemie rückblickend als Zeitenwende einstufen werden. Denn vieles bleibt, und zu den großen Konstanten zählt die Erderwärmung. Schließlich gewährt uns der krisenbedingte Emissionsrückgang allenfalls eine Verschnaufpause. Wenn überhaupt.
Der Kampf ums Klima bleibt deshalb die Jahrhundert-Aufgabe – und die Pandemie darf kein Vorwand sein, um ihn auf die lange Bank zu schieben. Denn die sogenannten „Tipping Points“, bei denen der KlimawandelKlimawandel – Eine langfristige Veränderung des Klimas, die aufgrund von menschlichen Aktivitäten wie der Verbrennung fossiler Brennstoffe verursacht wird. folgenschwere Kettenreaktionen auslöst, rücken unerbittlich näher.
Diese Erkenntnis reift derzeit auch in Berlin und Brüssel: Ministerialbeamte und ihre Berater arbeiten mit Hochdruck an einer Strategie, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Sie wollen Corona- und Klimakrise gleichzeitig bewältigen. Nukleus des Konzepts ist ein milliardenschweres Konjunkturpaket, das einen grünen Investitionsboom auslöst – und damit für schnelles, aber nachhaltiges Wachstum nach der Krise sorgt.
Experten unterschiedlicher Couleur befürworten das Vorhaben. „Man hört ja teilweise Stimmen, dass die Corona-Krise ein gutes Jahr für den Klimaschutz bringt, weil wir weniger unterwegs sind und auch die Industrieemissionen sinken“, sagt Christoph Schmidt, Präsident des RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung. Das sei jedoch „kurzfristig gedacht“.
In einem aktuellen Diskussionspapierwirbt Schmidt gemeinsam mit weiteren Experten für „Stimuli“, um die Wirtschaft nach der Pandemie „in einen (nachhaltigen) Wachstumsmodus zu bringen“. Gerade jetzt müsse die Politik „an innovationspolitischen Zukunftsprojekten festhalten“ – etwa mit Blick auf die Energiewirtschaft.
Ins selbe Horn stößt die Denkfabrik „Agora Energiewende“: Die Industrie brauche jetzt „mehr als ein klassisches Konjunkturprogramm“, mahnen die Experten. Sie brauche einen „doppelten Booster“ – also einen Wachstumsschub, der in die richtige Richtung zielt. Deshalb müssten „zügig Konzepte für grüne Investitionsprogramme erarbeitet werden“.
Schub für Renovierungen und Infrastruktur
Dieser Prozess nimmt bereits Fahrt auf – in Berlin, aber auch in Brüssel. Es gelte nun, „in der Wasser- und Energiewirtschaft, im Bauwesen, in der Mobilität, in der Landwirtschaft und in der Industrie, alte und umweltschädliche Strukturen durch eine moderne, saubere und effiziente Infrastruktur ersetzen“, forderte EU-Kommissar Frans Timmermans vor wenigen Tagen mit Blick auf ein europaweites Konjunkturpaket.
Zeitgleich plädierte der Seeheimer Kreis, ein Zusammenschluss wirtschaftsfreundlicher SPD-Politiker, für ein „starkes europäisches Wiederaufbauprogramm“ auf Basis des „Green Deal“.
Die übereinstimmenden Forderungen aus unterschiedlichen Lagern sprechen dafür, dass Bund und EU schon bald Konjunkturpakete mit Klima-Fokus anschieben. In der Folge dürften der Staat und seine Betriebe Milliarden ausgeben – etwa für die Sanierung schlecht gedämmter Amtsstuben, den Bau energieeffizienter Sozialwohnungen und für Lade- sowie Wasserstoff-Infrastruktur.
Richtig positionieren, Profil schärfen
Zudem dürfte der Gesetzgeber Anreize für private Investitionen schaffen. Zum Instrumenten-Kasten könnten zusätzliche Steuervorteile für energetische Gebäudesanierungen ebenso zählen wie eine Abwrackprämie für alte Öl-Heizungen und neue KfW-Förderprogramme für SolarenergieSolarenergie: Strom, der aus Sonnenlicht gewonnen wird..
Die absehbare „grüne Bazooka“ ist für die Bauwirtschaft mehr als ein Silberstreif am Horizont. Im besten Fall kommt sie genau zur richtigen Zeit: dann nämlich, wenn die Vor-Krisen-Aufträge weitgehend abgearbeitet sind, die die Branche bisher noch vor einem Einbruch bewahren.
Besonders gute Chance auf neue Aufträge haben dann Bauunternehmer und Architekten, die sich früh geschickt positionieren – etwa als Spezialisten für energetische Sanierungen oder als verlässliche Partner öffentlicher Auftraggeber. Und es kann jetzt sicher nicht schaden, ein solches Profil schon jetzt zu schärfen, sei es auf der Webseite, beim Social-Media-Marketing oder in Kundengesprächen.
Hier finden Sie die letzte Kolumne: Kosten senken – und das Corona-V antizipieren.
Daniel Schönwitz ist Wirtschaftsjournalist, Kolumnist und Medientrainer. Der Volkswirt lebt mit seiner Familie in Düsseldorf. Folgen Sie ihm auf Twitter.