Neue Aussichtspunkte in den alten Mauern
Das Büro atelier-r aus Olmütz verbindet in seinem architektonischen Konzept für die Burgruine Helfštýn in Tschechien denkmalgerechte RekonstruktionRekonstruktion bezeichnet die Wiederherstellung eines Bauwerks mit Hilfe von historischen Plänen, Fotos oder Skizzen, um es dem ursprünglichen Zustand möglichst nahe zu bringen. mit zeitgenössischer Architektur. Die neu hinzugekommenen Elemente sind in dem historischen Gemäuer deutlich erkennbar und schaffen substanzschonend ein neues Besuchererlebnis
Sie war eine der größten Festungsanlagen Europas: die Burgruine Helfštýn in Tschechien bei Leipnik in der Region Ölmütz. Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts thront das schon von Weitem sichtbare Bollwerk – das zweitgrößte nach der Prager Burg in der Tschechischen Republik – auf einem steilen Felsen im einstigen Gebiet der Herren von Drahotuš. Von hier aus wurde einst die sogenannte Mährische Pforte, die Wasserscheide zwischen Schwarzem Meer und Ostsee, kontrolliert. Die ehemals stolze Festung verfiel im Laufe der Jahrhunderte und entwickelte sich später zu einem beliebten Ausflugsziel.
Parallel zur Entwicklung der Denkmalpflege entstanden erste Initiativen zur Rettung der Bergruine im 19. Jahrhundert. Systematische Arbeiten begannen 1911, konservatorische Maßnahmen fanden dann in der ČSSR ab den 1970er-Jahren statt. Nach der politischen Wende diskutierten der Besitzer der Ruine, die Stadt Olmütz, gemeinsam mit Vertretern des nationalen Denkmalamts NPÚ intensiv über eine denkmalgerechte Rekonstruktion – und eine Überdachung der Burg.
Den ZuschlagZuschlag bezeichnet das Gesteinskorn, das bei der Herstellung von Beton oder Mörtel verwendet wird und für dessen Festigkeit und Stabilität sorgt. dafür bekam schließlich das junge Büro atelier-r aus Olmütz. Miroslav Pospíšil und Martin Karlík rekonstruierten mit ihrem architektonischen Konzept nicht nur die bestehenden Strukturen, sondern verbesserten auch das Besuchererlebnis. „Uns war es wichtig, über den technischen Wiederaufbau-Auftrag hinauszugehen“, erklären die beiden Architekten. „Wir wollten das historische Gebäude mit einer zeitgenössischen Architektur ergänzen, die sich neben einer ästhetischen Ausstrahlung auf eine praktische Nutzung konzentriert.“ Mittels einer neuangelegten Treppe machten die zwei einen Aussichtspunkt im Turm der Anlage zugänglich. Jahrhundertelang unbenutzte Durchgänge öffneten sie, indem sie Ebenen durch zeitgenössische Elemente miteinander verbanden. Die neue Besichtigungsroute führt nun zu Orten, die für Jahrhunderte unzugänglich waren. Dabei erfolgten die minimalistischen Einbauten substanzschonend. „Unser Konzept basiert auf dem Respekt vor dem historischen Gemäuer und soll den authentischen Charakter der Burg erhalten,“ erläutern Miroslav Pospíšil und Martin Karlík weiter. Dass in die markante Kontur der Ruine laut Vorgabe des nationalen Denkmalamts nicht eingriffen werden sollte, war eine Herausforderung: Denn das neue Dach durfte nach außen hin nicht sichtbar sein.