Gottfried Böhm

 

Die Serie „Archipedia“ ist eine Kooperation des Baumeister und der Hochschule Bochum, Fachbereich Architektur. Studierende des Master-Studienganges „Architecture Media Management“ schreiben virtuelle Briefe an die Crème der Architekturwelt, hier an den deutschen Architekten Gottfried Böhm.

Sehr geehrter Herr Böhm,

vor Kurzem besuchte ich die Kölner Altstadt und passierte das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, welches Ihr erstes eigenständiges Werk, die Kapelle St. Kolumba, vollständig umschließt. Ihre „Madonna in den Trümmern“ wurde im Jahre 1950 fertiggestellt, als Sie gerade mal 30 Jahre alt waren. Leider ist die Eigenständigkeit Ihres Bauwerks, das von Kölnern sehr geschätzt wird, vollkommen verloren gegangen. Sie selbst kritisierten die Situation, die der Schweizer Kollege Peter Zumthor geschaffen hat – jedoch ohne Erfolg. Nach Ihrem Studium der Architektur und Bildhauerei in München arbeiteten Sie mit Ihrem Vater gemeinsam in dessen Kölner Büro an Entwürfen. In der Nachkriegszeit gehörte der Wiederaufbau zu Ihrer wichtigsten Aufgabe, wodurch zahlreiche Sakralbauten entstanden. Bis heute haben Sie 69 Kirchen entworfen. Eine beachtliche Zahl, die sicherlich stark durch den Einfluss des Vaters geprägt wurde. Selbst als Sie nach Amerika reisten und Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe kennenlernten, waren sie wenig von diesen beeindruckt. Somit ist es besonders schade, dass Ihr erster sakraler Bau, den Ihr Vater an Sie abgegeben hat, mit seinem Volumen kaum mehr erkennbar ist. Der Innenraum beeindruckt allerdings weiterhin mit der für Ihre Bauten typischen Gewebedecke aus Beton und der entstandenen räumlichen Präsenz.

Zum Glück erging es Ihren anderen Gebäuden nicht genauso. Als das wohl bekannteste und wichtigste Werk gilt die Wallfahrtskirche „Maria Königin des Friedens” in Velbert-Neviges. Geht die skulpturenhafte Erscheinung, ebenfalls in Beton, auf Ihre leidenschaftliche Bildhauerei zurück? Ab den 70er-Jahren wurde statt dem für Sie typischen Material Beton häufig Stahl und Glas eingesetzt und nach den zahlreichen Sakralbauten widmeten Sie sich nun vermehrt öffentlichen Gebäuden, Büro- und Geschäftsbauten, aber auch Siedlungen, wie der Wohnbebauung Talstraße in Saarbrücken, die mit ihrer plastischen Fassade den Stadtraum repariert.

Eine Frage stellt sich mir beim Betrachten einer Liste Ihrer Bauwerke: Außer wenigen Entwürfen in Brasilien, dem Verwaltungsgebäude der Deutschen Bank in Luxemburg oder einer Kirche in den Niederlanden verwirklichten Sie sich fast ausschließlich in Deutschland. Hatten Sie kein Interesse daran, mehr im Ausland zu arbeiten?

Sicherlich wäre Ihre Vater stolz auf Ihre Leistungen und dem dafür verliehenen Pritzker-Preis im Jahre 1986, wo Sie doch schon als Kind viel Zeit in seinem Büro verbrachten und Pläne ausmalen durften. Das 1955 von Ihnen übernommene Architekturbüro besteht nun in der dritten Generation und sein Erfolg zeichnet sich durch das Weitergeben von Erfahrungen Ihrer Architektenfamilie aus.

Vielen Dank für Ihr hervorragendes Mitwirken in der Architektur des 20. Jahrhunderts, die Sie mit der Verbindung von Tradition und Moderne und einer charakteristischen Originalität geprägt haben. Ich hoffe, dass es keinem Ihrer Bauten noch einmal so ergehen muss wie der eingehausten „Madonna in den Trümmern“, sie sind zu wertvoll um sie zu verstecken.

Mit besten Grüßen,

Sarah Thor

 

Biographische Daten von Gottfried Böhm

1920 geboren in Offenbach am Main
1945 Abschluss des Architektur- und Bildhauereistudiums
1950 Mitarbeit Wiederaufbaugesellschaft Stadt Köln, Fertigstellung Kapelle St. Kolumba, erster eigener Bau
1951 Mitarbeit in New Yorker Architekturbüros, Treffen mit Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe
1955 Weiterführung des Familienbüros nach dem Tod des Vaters Dominikus Böhm
1963 Lehrstuhl für Stadtbereichsplanung und Werklehre an der RWTH Aachen,
1983 Lehrbeauftragter am Massachusetts Institute of Technology (bis 1986), der University of Pennsylvania (1985) und der Washington University (bis 1988)
1986 Erhalt des Pritzker-Preises als erster Deutscher
2001 Übernahme des Büros Böhm durch Sohn Paul (Architekturbüro Paul Böhm), weiterhin Mitarbeit

Wichtige Bücher / Texte 

Gottfried Böhm: Die Gewebedecke. In: Herbert Hoffmann: Neue Baumethoden 1. Stuttgart 1949

Weiterführende Literatur

Wolfgang Voigt (Hg.): Gottfried Böhm. Jovis Verlag GmbH, Berlin 2006
Veronika Darius: Der Architekt Gottfried Böhm. Bauten der sechziger Jahre. Beton-Verlag, Düsseldorf 1988
Wolfgang Pehnt: Gottfried Böhm. Birkhäuser Verlag, Basel 1999
Elisabeth Böhm (Hg.): Gottfried Böhm : Bauten und Projekte. Auszug aus den Jahren 1985 – 2000. Wasmuth Verlag, Tübingen 2001

Weiterführende Weblinks

www.boehmarchitektur.de
www.planet-wissen.de/alltag_gesundheit/werkstoffe/beton/gottfried_boehm.jsp
www.pritzkerprize.com/laureates/1986

Porträt: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ad/Gottfried_B%C3%B6hm-2015.jpg
Foto: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/48/Gottfried_b%C3%B6hm,_pilgrimage_church,_neviges_1963-1972.jpg

 

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