Adolf Loos um 1904

Adolf Loos um 1904, Foto: Otto Mayer

 

Die Serie „Archipedia“ ist eine Kooperation des Baumeister und der Hochschule Bochum, Fachbereich Architektur. Studierende des Master-Studienganges „Architecture Media Management“ schreiben virtuelle Briefe an die Crème der Architekturwelt, hier an den österreichen Wegbereiter der modernen Architektur Adolf Loos.

Lieber Herr Loos,

oder sollte ich vielleicht besser „Wegbereiter der Moderne“, „Revolutionär“ oder „Lifestyle-Guru“ sagen, um nur einige der Schlagworte über Sie zu nennen, die seit Ihrem Tod am 23.08.1933 immer wieder in Buch und Presse fallen?

Von Zeitgenossen wurde Ihre Architektur stark kritisiert. Sicherlich würde es Sie freuen, zu erfahren, dass diese heute eine große Akzeptanz erfährt. Der Weg dorthin war nicht glatt. Nach einem dreijährigen Aufenthalt in Amerika kehrten Sie 1896 mit der Vision einer fortgeschritteneren Architektur, wie der von Frank Lloyd Wright, nach Europa zurück. Die Architektur Ihres ornamentfreien Gebäude am Michaelerplatz in Wien wurde nicht verstanden. Aufgrund nicht vorhandener Umrahmungen der Fenster wurde es auch das „Haus ohne Augenbrauen“ genannt. Es kam zwischenzeitlich zum Baustop – und erst durch einen Kompromiss im Jahr 1911 zur Fertigstellung. Das parallel dazu realisierte „Haus Steiner“ galt später als Ikone der Architekturgeschichte der Moderne.

Ihre kontroversen und irritierenden Visionen haben Sie in der Zeit von 1897 bis 1929 intensiv in der Presse kundgetan und dabei mit Artikeln wie „Ornament und Verbrechen“ weltweit für Aufsehen gesorgt. Sie behaupteten, Ornamente seien ein Zeichen von primitiver Kultur und verschwendete Arbeitskraft. Weiteren Artikeln zufolge meinten Sie, man solle Gebrauchsgegenstände nicht mit Kunst verbinden. An der Grenzziehung zwischen Kunst und Gebrauchsgegenstand finde ich besonders positiv, dass damit die Funktionalität wieder in den Vordergrund getreten ist. Ich persönlich meine jedoch, Kunst weckt Emotionen; ein reiner Gebrauchsgegenstand, der nur seinen Zweck erfüllt, tut das nicht. Warum also sollte Kunst nicht mit Gebrauchsgegenständen vereinbar sein, damit die Dinge, von denen wir stets umgeben werden, unseren Alltag bereichern? Womöglich aber hätte sich eine neue Baukultur ohne Ihre radikalen Aussagen an einem von Historismus geprägten Ort wie Wien, nicht anders behaupten können. Ihrem Gedanken darüber, dass Wertigkeit mit viel einfacheren Mitteln, wie dem Einsatz edler Materialien, wiedergespiegelt werden kann, kann ich jedoch nur zustimmen. Die Innenarchitektur der „Kärtner Bar“ in Wien von 1908 und zahlreicher anderer Projekte machen dies deutlich.

Doch nicht nur Tradition betrachteten Sie kritisch. Ihre Aussage „Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten Bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim Alten.(…)“, mit der Sie dazu aufforderten, ebenso die moderne Bauweise individuell zu überprüfen, gilt auch in der Gegenwart. Ihre Haltung lässt sich keinesfalls nur auf Funktionalität reduzieren. Von Ihnen geplante Aufenthaltsräume sind klar, doch zugleich behaglich und kommunikationsfördernd. Ihre Architektur soll nicht einschränken, sondern die „In-Besitznahme“ durch den Bewohner ermöglichen. Damals erklärten Sie den Menschen was Wohnqualität ist. Bewundernswert ist, dass Sie mit Ihrer Haltung noch heute am Puls der Zeit liegen. Die Experten schwärmen von Ihnen: „Adolf Loos war einer der besten, weitblickendsten und revolutionärsten Köpfe, die je in Österreich tätig gewesen sind“.

Beste Grüße,

Irina Weinstein

 

Biographische Daten von Adolf Loos

1870 geboren in Brno (Brünn), Tschechien (damals Österreich-Ungarn)
1887/88 Besuch der Bautechnischen Abteilung der Staatsgewerbeschule in Reichenberg
1891/92 Studium an der Technischen Hochschule Dresden, Deutschland, ohne Studienabschluss
1893-1896 Aufenthalt in den Vereinigten Staaten von Amerika
1897-1929 verfasst Loos zahlreiche architekturkritische Artikel
1903 Herausgabe von zwei Ausgaben von Adolf Loos Blatt „Das Andere“
1908 Erste Lesung von „Ornament und Verbrechen“; Einrichtung der Kärtner Bar
1911 Fertigstellung Haus am Michaelerplatz, Wien, Österreich
1931 Der Schüler Heinrich Kulka widmet Adolf Loos zum 60. Geburtstag eine Biographie, Schroll-Verlag
1933 gestorben in Kalksburg, Österreich

Wichtige Bücher / Texte 

Ornament und Verbrechen, Hrsg. Adolf Opel, Wien: Prachner, 2000
Ins Leere Gesprochen (Essays 1897-1900), Paris/Zürich: Georges Crès et Cie, 1921
Trotzdem, 1900–1930, Innsbruck: Brenner Verlag, 1931Die Potemkin’sche Stadt, Verschollene Schriften, 1897–1933, Hrsg. Adolf Opel, Wien: Prachner, 1983

Weiterführende Literatur

Heinrich Kulka: Das Werk des Architekten, Wien: Schroll, 1931
Münz, Ludwig; Künstler, Gustav: Der Architekt Adolf Loos. München: Schroll, 1964
Rukschcio, Burkhardt; Schachel, Roland: Adolf Loos. Leben und Werk. Salzburg: Residenz-Verlag, 1982
Lustenberger, Kurt: Adolf Loos. Zürich: Artemis, 1994
Sarnitz, August: Loos. Köln: Taschen, 2003

Weiterführende Weblinks

www.adolfloos.at

Porträt: Otto Mayer – Österreichische Nationalbibliothek, Bildarchiv Austria, Inventarnr. Pf 830 : D (1)
Foto: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a9/Looshaus_Vienna_June_2006_548.jpg

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