Junge Menschen arbeiten anders als ältere, Deutsche anders als Franzosen – so lautete ein Fazit der gestrigen Diskussionsrunde unter dem Titel „Baumeister nach 8“. Im Büro von Auer Weber Architekten hatten der Baumeister und der Partner Steelcase zu einem entspannten Abend-Talk eingeladen. Man diskutierte die Zukunft der Arbeit im Allgemeinen und der Arbeit von Architekten im Besonderen. Vor rund 80 Zuhörern hinterfragten Steelcase-Forscherin Catherine Gall und Philipp Auer aktuelle Tendenzen in der Raumplanung und die Möglichkeiten, gestalterisch für Motivation und Kommunikation zu sorgen. Und da geht es viel um kulturelle Differenzen. „In Frankreich küsst man mehr“, so Gall zur Freude des Publikums. Japaner seien besonders gut darin, ihre Arbeitsplätze innerhalb weniger Stunden mit zahllosen Postkarten und Postern vollzuhängen.
Ein Ergebnis, das auch aus Forschungen von Steelcase hervorging: Während Arbeitnehmer in früheren Jahren eher Einzelgänger waren, die einen klar abgegrenzten Arbeitsplatz schätzten, ist spätestens die Generation X teamorientiert und an flachen Hierarchien interessiert. Sie kann gut in Gruppen-Arbeitsplätzen arbeiten. Die ganz Jungen wiederum, Generation Y, sind sehr flexibel und können leicht auf einen eigenen Schreibtisch verzichten. Sie sind ungebunden und arbeiten gern an unterschiedlichen, auch informellen Orten. Die Frage aber: Wie reagiert der Raum auf diese verschiedenen Bedürfnisse und Arbeitshaltungen?
Auf jeden Fall mit unterschiedlichen Raumprogrammen für unterschiedliche Arbeitssituationen, so Forscherin Gall. Das Einheitsbüro hat ausgedient. Auch für verschiedene Tageszeiten und schwankende Konstitutionen der Mitarbeiter gilt es, räumliche Lösungen zu finden.
Das gilt übrigens auch für Auer Weber. „Wir brauchen Räume, in denen sich unsere Mitarbeiter entfalten können“, so Philipp Auer. Das bedeute aber keine Spaß-Büros à la Google. Stimmt, so Gall beim Blick in die Runde, bei den Räumlichkeiten handele es sich eindeutig um ein Architekturbüro: strukturiert, ordentlich, clean.
Wichtig ist Philipp Auer: Räumlich ablesbare Hierarchien gibt es nach Möglichkeit nicht. Er selbst sitzt quasi mittendrin. Das Gebäude, eine ehemalige Kuvertfabrik, wird von ihren Nutzern stark belebt. Die Erschließung erfolgt horizontal. Belichtung ist nur von einer Seite aus gegeben, weshalb es A-Plätze und B-Plätze gibt. Ein großes Defizit: Platzmangel. Das Büro wächst eben. Und das kann punktuell für Enge sorgen, zumal Auer erläuterte, dass die von vielen großen Architekturbüros verfolgte Netzwerkstrategie mit vielen kleinen Standorten nicht zu Auer Weber passt.
Ein Ergebnis des Abends: Kultur und Arbeitswelt hängen unmittelbar zusammen. Dies ist auch die Grundthese der gesamten Forschungsinitiative von Steelcase. Catherine Gall, die neben Design auch Sozialwissenschaften studierte, leitet von Paris aus das „Workspace Futures Lab“. Ihr internationales Team umfasst 15 Mitarbeiter, Psychologen, Soziologen und Informatiker gehören dieser Gruppe an. Die Raumforscher befassen sich mit radikal vielfältigen Fragestellungen: Wie funktioniert unser Gehirn? Wie bewegen sich Individuen im Raum? Wohin entwickeln sich zukünftig unsere Arbeitsräume? Welche Architektur braucht das Unternehmen des 21. Jahrhunderts? Sie veranstalten Workshops mit Experten wie Neurowissenschaftlern und erarbeiten gemeinsam Lösungsansätze dafür, wie Räume die Konzentration und Kreativität der Nutzer steigern können.
Einige davon werden in der nächsten Runde von „Baumeister nach 8“ diskutiert, dann im Büro von Volker Staab in Berlin.