07.08.2015

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Editorial B8: Architektur und Religion

Friedhof Gubbio / Photo: Alessandra Chemollo

Kunst. Wer von Religion spricht, kann von Kunst nicht schweigen. Das könnte eine Art Leitmotiv dieser Ausgabe sein. Angefangen hat sie als Heft über Sakralbauten – die Kirche St. Trinitas von Schulz und Schulz galt es zu besprechen oder die Sancaklar-Moschee in Istanbul von Emre Arolat.

 

Doch schnell hat sich das Heft  zu einer Feldstudie der unterschiedlichen Spielarten von Metaphysik ausgeweitet. Und eine solche Spielart, vielleicht die wichtigste in der heutigen Zeit, ist eben die Kunst.

 

Es kommt nicht von ungefähr, dass immer mehr Kirchenbauten zu Räumen für (zeitgenössische) Kunst umfunktioniert werden. Bei uns ist das prägnanteste Beispiel hierfür der Umbau der St-Agnes-Kirche in Berlin durch Arno Brandlhuber und Riegler Riewe. Die Architekten treten dabei radikal zurück hinter die originären Stärken dieses Raums.

 

Diese Stärken entfalten sich offenbar in der religiösen Andacht ebenso wie beim Versinken in Kunstwerken. Wer Kunst schaut, eröffnet sich einen Zugang zu globalen, verbindenden, „höheren“ Sphären. Und er wird auch mit einem anderen Selbst konfrontiert. Auch hierin ähneln sich Kunst und Religion.

 

Ein großes Versprechen jeder religiösen Bewegung ist die Erhöhung der Menschen. Ähnlich funktioniert Kunst. Sie zeigt uns Entwicklungspfade auf und reißt uns aus der Determiniertheit des (kapitalistischen) Subjekts. Wer sich auf sie einlässt, wird, simpel formuliert, zum besseren Menschen. Zumindest dann, wenn die Kunst selber sich ein hohes Maß an Kraft und Drastik zutraut. Wenn sie unterschiedliche Wirklichkeitswelten zusammenschraubt in einer Weise, die neu ist und Erkenntnisse generiert. Wenn sie nicht nur vorgefertigte gedankliche Schemata bedient.

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