23.01.2020

Wohnen

Bauen im Bestand – ein ungleicher Dreiklang?

Luftaufnahme Gebäude von oben

Umwandlung des Düsseldorfer Bürokomplexes in Wohnraum. Foto: Nikola Raspudic


Hohes Risiko, geringe Rendite

Potenzial, Risiken, Rendite – die Treiber der Immobilienwirtschaft schlagen bei Bestandsbauten umso härter zu. Hier der aufgeblähte Kapitalmarkt, dort die politische Agenda. Die Entwicklung von Bestandsimmobilien könnte den knappen Wohnungsmarkt entlasten, das Potenzial ist vorhanden. Doch wachsende Risiken schmälern die Rendite und schrecken Investoren ab.

Wir brauchen 400 000 Wohnungen pro Jahr. 400 000 Wohnungen, um den Wohnungsmangel in Deutschland aufzuheben. Neu gebaut wurden zuletzt 285 000 Wohneinheiten, nicht ganz die Hälfte davon sind Ein- und Zweifamilienhäuser. Der laute Ruf der Immobilienwirtschaft und aus weiten Teilen der Politik „Neubau! Neubau!“ reicht nicht aus als einziger Lösungsansatz.

Es braucht zusätzliche Maßnahmen, um mehr und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Bauen im Bestand, konkret Sanierung, Modernisierung, Umbau, Umnutzung oder Aufstockung bestehender Gebäude, wären weitere Möglichkeiten. Doch so spontan wie der Ruf nach Neubau, erklingt der Ruf „Zu teuer! Nicht kalkulierbar! Zu viele Vorschriften!“ von Investoren und Immobilienentwicklern über Bauen im Bestand.

Und tatsächlich: Argumente dagegen gibt es mehr als genug. Beim Neubau seien sowohl die Baumaterialien, technische Anlagen und Energieeffizienz als auch Ausstattung auf dem neuesten Stand, heißt es auf Anfrage bei einem der großen deutschen Immobilienentwickler, Project Immobilien. Das Unternehmen hat zwar in seiner Geschichte vereinzelt Bestandsimmobilien realisiert, fokussiert sich jedoch aus den oben genannten Gründen hauptsächlich auf Neubau.

Weitere Argumente gegen Bestandsimmobilien sind für Project denkmalschutzrechtliche Auflagen, weshalb Bauen im Bestand nur unwesentlich günstiger als ein Neubau sei. Und letztlich treiben die Maßnahmen die Baukosten hoch, die notwendig sind, um den Zustand der Bausubstanz aufzubessern, mögliche Schadstoffe zu entfernen oder energetische Sanierungen auf den aktuellen Standard zu bringen. Diese Summe an Unwägbarkeiten führe dazu, dass derartige Projekte nur schwer planbar seien.

Immobilienentwickler streben nach einem attraktiven Risiko-Rendite-Verhältnis: geringe Risiken in der Entwicklung und höchstmögliche Rendite bei Verkauf oder Vermietung. Bei Bestandsgebäuden ist das nur bedingt möglich – wenn nicht gar unmöglich, ist der Großteil der Immobilienentwickler überzeugt.

Mietendeckel schreckt Investoren ab

Tatsächlich steigen die Baukosten weiter und weiter. Kostentreiber sind immer strengere Vorschriften und die Auslastung der Bauwirtschaft. „Doch wer denkt, dass ein Umbau von ehemaligen Büroobjekten zu Wohnungen wesentlich günstiger ist als ein Neubau, der irrt sich“, sagt Henning Hausmann, Prokurist und Leiter Investment bei der Bauwert AG. „Vor allem Entkernungen und komplette Umbauten sind teuer. Eine ausführliche ,Due Diligence‘ vor dem Kauf eines Bestandsgebäudes ist immer vonnöten, um sich vor bösen Überraschungen zu schützen.“

Die Bauwert AG hat sich – wie viele andere auch – zumindest zeitweise von der Entwicklung von Bestandsimmobilien verabschiedet. Das Unternehmen ist in Berlin tätig, wo eine weitere Hürde aufgetaucht ist: die Mietpreisbremse. „Damit Bauen im Bestand dem Wohnungsmangel entgegenwirken kann, muss es auch wirtschaftlich sein. Das ist der Fall, wenn Investoren unter Berücksichtigung sozialverträglicher Lösungen frei agieren können“, sagt Hausmann. „Doch der Mietendeckel verhindert, dass Wohnungsumbau ausreichend Rendite verspricht, also bleiben die Investitionen aus“, fasst Hausmann die Sicht der Immobilienwirtschaft zusammen.

Dabei hat Bauwert in der Vergangenheit durch Umnutzung bestehender Gebäude durchaus rentablen Wohnraum geschaffen. Ein prominentes Beispiel ist das ehemalige Bürogebäude „Thyssen Trade Center“ in Düsseldorf, heute bekannt als „Living Circle“. Es wurde einst für den Einzelnutzer Thyssen gebaut, konnte jedoch nach dessen Auszug als Bürogebäude nicht weitervermietet werden. Gegenargument war der kreisrunde Grundriss des Gebäudes. Genau der machte es für Bauwert interessant. Hausmann: „Wir haben dort die Chance gesehen, ein außergewöhnliches und attraktives Wohnensemble zu schaffen. Wirtschaftlich wäre ein derartig architektonisch anspruchsvolles Gebäude heute nicht mehr als Neubau umzusetzen.“

Die Mühen lohnten sich: Das Projekt erhielt 2018 den Deutschen Bauherrenpreis in der Kategorie „Umnutzung für das Wohnen“. Neben dem Mietendeckel macht auch die aktuelle Zinspolitik im Kapitalmarkt den Immobilienentwicklern das Leben schwer. Die Renditefähigkeit und Preisfindung von Bestandsimmobilien ist dadurch deutlich erschwert.

Den gesamten Text lesen Sie im B1/2020 “Umnutzung als Gewinn”.

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