10.12.2015

Portrait

Barozzi Veiga

In der August-Ausgabe des Baumeister haben wir die jungen Architekten Fabrizio Barozzi und Alberto Veiga, die diesjährigen Gewinner des Mies-van-der-Rohe-Awards, porträtiert. Hier nochmal ein Interview mit Alberto Veiga über Vorbilder, Entwurfswerkzeuge und den Einfluss des Kinos.

Neanderthal Museum, Piloña, Spanien
Kunstmuseum, Lausanne, Schweiz
Kunstmuseum, Lausanne, Schweiz
Erweiterung Bündner Kunstmuseum, Chur, Schweiz
Strand Quadrangle of King’s College, London, Vereinigtes Königreich
Tanzschule,Zürich, Schweiz

Baumeister: Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum Mies-van-der-Rohe-Preis. Was bedeutet die Auszeichnung für das Büro?
Alberto Veiga: Der Preis selbst hat ja eine enorme Bedeutung in der Architektur und bringt die Anerkennung der Kollegen aber vor allem eine größere Medienaufmerksamkeit mit sich. Er erhöht also auch den Druck. Mit unseren zukünftigen Projekten müssen wir jetzt erstmal beweisen, dass wir den Preis wirklich verdient haben. Ich glaube allerdings nicht, dass wir dadurch mehr Projekte generieren. Hauptsächlich bringt er mehr Verantwortung mit sich.

B: Welche Reaktionen gab es bislang?
A V: Der Preis hat sich etwas verändert. Der Fokus lag in der Vergangenheit ja eher auf großen Büros und großen Projekten. Insofern war es für die meisten vermutlich eine Überraschung, dass ein relativ kleines Büro den Preis gewonnen hat. Die Reaktionen waren aber allesamt positiv.

B: Ihr habt den Preis für eine Konzerthalle in Polen erhalten – wie funktioniert das Planen und Bauen in einem anderen Land?
A V: Der Planungsprozess läuft hier in Barcelona ab. Wir haben aber immer einen Partner vor Ort, der die Genehmigungsplanung übernimmt. Die Fachplaner und Ingenieure sind auch vor Ort. In Barcelona laufen dann die ganzen Fäden zusammen – die Informationen werden gefiltert und in einen Gesamtzusammenhang gebracht. Alle Zeichnungen und Details werden hier erstellt. Wenn es dann losgeht mit dem Bau, schicken wir Leute aus unserem Büro zur Baustelle um das Ganze dann vor Ort zu betreuen. Wir sind also von Anfang bis zum Schluss in das Projekt involviert.

B: Liegt euer Fokus auch weiterhin auf dem Bauen im Ausland?
A V: Grundsätzlich ja. Wir haben uns immer als internationales Büro gesehen. Mein Büropartner Fabrizio Barozzi ist Italiener, die Mitarbeiter kommen aus allen Teilen der Welt. Wir suchen nicht nach neuen Orten, sondern nach neuen Projekten, und die meisten finden wir nun mal außerhalb von Spanien.

B: Wie ist denn die Situation in Spanien derzeit?
A V: In Spanien gab es ja diese riesige wirtschaftliche Krise, die bis heute Auswirkungen hat. Bezogen auf die Architektur, glaube ich, dass sich der Wohnungsmarkt in den nächsten Jahren etwas erholen wird, ich erwarte allerdings nicht allzu viel. Deshalb sollten sich spanische Architekten auch mehr aufs Ausland konzentrieren und nicht darauf in Spanien zu bauen. In den letzten 20 Jahren haben wir hier so ziemlich alles gebaut, was nur geht. Jede Kleinstadt hat jetzt eine Schule, eine Bibliothek und ein Museum. Themen wie Erhaltung und Sanierung spielen in Zukunft eine Rolle.

B: Wie ist euer Verhältnis zur spanischen Architekturszene?
A V: Wie bereits gesagt, wir fühlen uns nicht als spanisches Büro. Wir leben zwar hier in Barcelona, nehmen die Stadt aber nicht in allererster Linie als spanisch wahr, sondern als einen Ort, der sich zwischen einzelnen Ländern befindet. In unserem Büro arbeiten Leute, die alle einen unterschiedlichen kulturellen Hintergrund haben; die Einflüsse sind dementsprechend vielfältig. Wir sind ein europäisches Büro.

B: Wie läuft der Entwurfsprozess ab?
A V: Eine Grundlage dafür ist sicherlich das Arbeiten in unterschiedlichen Ländern. Die Einflüsse, die wir dort aufnehmen, und die Erfahrungen, die wir dort machen, sind entscheidend für den Prozess. Zu Beginn eines Wettbewerbs gehen wir erstmal zum Grundstück und versuchen den Ort zu verstehen. Das läuft dann so ab, dass sich jeder erstmal einen persönlichen Eindruck macht, dann diskutieren Fabrizio und ich das Konzept. Später wird auch das Team hinzugezogen. Unsere Arbeitsweise ist sehr sokratisch, wir reden also ziemlich viel (lacht). Das permanente kritische Hinterfragen des Konzepts ist für uns sehr wichtig. Wir gehören definitiv nicht zu den Architekten, die sofort eine Vision haben und wo der Prozess dann darin besteht, die Vision zu materialisieren. Fabrizio und ich sind die ganze Zeit Teil des Teams, von Anfang bis zum Schluss. Wir arbeiten gemeinsam mit dem Team an Zeichnungen und Modellen.

B: Welchen Einfluss hat das kontextuelle Arbeiten auf den Entwurf?
A V: Der Kontext ist von fundamentaler Bedeutung! Wir leben heutzutage in einer Welt, in der alles möglich ist und alles gebaut werden kann. Geometrisch sind uns keine Grenzen mehr gesetzt. Wenn es uns dabei aber nicht gelingt in einen Dialog mit dem Ort zu treten, seine Atmosphäre aufzugreifen und das Gebäude in seinem lokalen Kontext zu verankern, dann war die ganze Arbeit umsonst. Vielleicht hast du am Schluss ein gelungenes Artefakt, es bleibt aber letztendlich nur ein Artefakt.

B: Welche Rolle spielen die Visualisierungen im Entwurfsprozess?
A V: Wir bringen die Visualisierungen möglichst früh in den Prozess ein, um herauszufinden welche Atmosphäre und welchen Charakter das Gebäude haben soll. Und um unangenehme Überraschungen kurz vor der Wettbewerbsabgabe zu vermeiden (lacht). Wir machen die Visualisierungen auch alle selbst. Sie waren von Anfang an ein wichtiges Werkzeug für uns.

B: Sie wirken sehr cineastisch – gibt es da bestimmte Einflüsse, beispielsweise die Filme von Stanley Kubrick?
A V: Wir sind schon vom Kino inspiriert, es ist aber nicht so, dass wir direkt was aus einem Film übernehmen. Es geht uns eher darum die filmischen Techniken zu verstehen. Beispielsweise bei Schwarz-Weiß-Filmen. Viele unserer Visualisierungen haben ja auch diese Schwarz-Weiß-Ästhetik. Wir diskutieren dann schon, wie und warum das in bestimmten Filmen funktioniert.

B: Gibt es konkrete architektonische Einflüsse?
A V: Wir haben ziemlich viele Einflüsse. Ich denke, das sieht man den Projekten auch an. Und um noch mal auf das Thema Kontext einzugehen: Dadurch, dass wir versuchen eine spezifische Lösung zu entwickeln, haben wir auch spezifische Einflüsse, die sich von Fall zu Fall unterscheiden. Es gibt also keinen bestimmten Architekten oder ein einzelnes Gebäude, das uns geprägt hat.

B:  Spielt sakrale Architektur bei euch eine Rolle?
A V: Wir arbeiten ja öfters mal monolithisch: nur ein Material um den Fokus auf die Interaktion zwischen Licht und Raum zu lenken. Das interessiert uns auch an religiöser Architektur, die ja oft mit diesen Zusammenhängen arbeitet. Darum geht es generell bei uns. Wir versuchen Zusammenhänge zu erkennen und die daraus resultierenden Erkenntnisse in unsere Arbeit zu integrieren.

Porträt: Anna Mas

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