„Sur le pont …“: Atelier Bow-Wow aus Tokio schlagen in München eine halbe Brücke über die Isar – und schaffen einen temporären Aussichtspunkt, der einen neuen Blick auf Stadt und Fluss erlaubt.
Brückenstück, Aussichtsplattform, experimenteller Holzbau, Kunstobjekt: Mit ihrer Installation „Bridge Sprout“ beleben die Tokioter Architekten Atelier Bow-Wow das Münchner Isarufer an einer Stelle, an der man sonst eher achtlos vorbeirauscht. An der stark befahrenen Widenmayer Straße kragt die schmale Brückenkonstruktion aus gekreuzten Fichtenstämmen weit über die Ufermauer aus – ein halbfertiger Steg, als „Spross“ im Wachsen begriffen, stellt den ideellen Brückenschlag zur kleinen Schwindinsel her, die verwunschen in der Isar liegt. Das urbane „Folly“ bietet neue Perspektiven auf den Fluss und ist ein höchst „instagrammable place“, lädt zugleich aber auch zum Innehalten ein, zu Gedanken über Stadtlärm, Stille, den Fluss als Natur- und Freizeitraum …
Wie bei vielen ihrer Projekte arbeiten Momoyo Kaijima und Yoshiharu Tsukamoto auch hier mit dem Bezug auf Tradition und Kontext und schaffen hier eine vielschichtige, narrative Architektur-Miniatur. Material und Konstruktion verweisen auf die einstige Flößerei auf der Isar. Ähnlich wie früher die Holzstämme zu Flößen verbunden wurden, sind auch hier Rundhölzer nicht überblattet oder ineinander gesteckt; ausgeklügelte, kaum sichtbare Stahlverbindungen sorgen für Standfestigkeit. Doch auch Grundideen der Zen-Gärten Japans und die Ruinenarchitektur der Romantik schwingen mit, ebenso wie Assoziationen an Holzbrücken in den Alpen. Im „Bridge Sprout“ interpretieren die Architekten vertraute Motive auf neue Weise, um sie für die Menschen der Stadt neu erlebbar zu machen – bis Ende 2021 hat man dazu Gelegenheit. Das Projekt ist der Auftakt der Reihe „Carte Blanche“, ein neues Format der Kunst im öffentlichen Raum des Kulturreferats der Landeshauptstadt München.
Den Artikel lesen Sie im B9: Was bringt die Zukunft? 9 Fragen zur Architektur