Gebäude mit städtischem Charakter
Yvonne Farrell und Shelley McNamara haben mit ihrem Büro Grafton Architects 2018 die Architekturbiennale in Venedig kuratiert und mit ihrem Thema „Freespace“ viel Freiraum für Interpretation und Diskussion gelassen. Sie beschäftigten sich jedoch nicht nur im Rahmen der Biennale mit Freiraum – der Begriff und seine Interpretationen durchdringt ihr ganzes Schaffen. Jetzt haben die beiden Architektinnen den Pritzker-Preis gewonnen und wir betrachten ihre Auffassung von Freiraum genauer.
Für die beiden Gründerinnen von Grafton Architects bedeutet „Freespace“ in erster Linie das Aufzeigen architektonischer Möglichkeiten: Öffentlicher und sozialer (Lebens-)Raum soll aber nicht nur für diejenigen gestaltet werden, die diesen Raum nutzen, sondern zu berücksichtigen sind auch wieder von der Natur vorgegebene Entwurfsparameter wie Tageslicht, Wind, Schatten, Schwerkraft, Topografie und die spezifischen Qualitäten von (Bau-)Materialien – Eigenschaften, die die räumlichen Qualitäten ihrer Meinung nach positiv beeinflussen.
Im Thema, das sie für die Architekturbiennale wählten, manifestiert sich eine Überzeugung, die die Architektinnen aus Dublin in ihrer jahrzehntelangen Arbeit entwickelt und verfeinert haben. Ihre eigene Interpretation von Freespace umfasst Planungsparameter, die man immer wieder in ihren Projekten findet, sei es an der Luigi-Bocconi-Universität in Mailand, dem Universitätscappus UTEC in Lima (Baumeister 8/2017), dem Entwurf für die Hochschule für Betriebswirtschaft Toulouse 1 Capitole oder auch dem Entwurf für das Forschungsinstitut für digitale Technologien in Paris-Saclay: In all diesen Projekten findet man ein vielschichtiges, verflochtenes und beinahe virtuoses Netzwerk von öffentlichen und halböffentlichen Plätzen in Form von offenen geführten Treppenhäusern, Rampen, Brücken, Balkonen und Versammlungsräumen.