02.09.2022

Wohnen

Archiplein und Gilles Perraudin bauen Stein auf Stein

Archiplein und Gilles Perraudin zeigen mit zwei Wohnhäusern in Genf, dass auch ein Projekt dieser Größe nur mit Stein und Holz umgesetzt werden kann. Foto: © Leo Fabrizio
Archiplein und Gilles Perraudin zeigen mit den zwei Wohnhäusern in Genf, wie Projekte dieser Größe nur mit Stein und Holz umgesetzt werden können. Foto: © Leo Fabrizio

Understatement wird bei den zwei Wohnhäusern im grünen Gürtel von Genf groß geschrieben. Jedoch was simpel wirkt, soll den Beweis erbringen, dass auch ein Projekt dieser Größe nur mit den Materialien Stein und Holz umgesetzt werden kann. 9.000 Steinblöcke aus der Region verbauten die Architekten von Archiplein und Gilles Perraudin an der Fassade und in den Innenräumen. Das Ergebnis kann sich sehen – und anfassen lassen.

Im Hintergrund der Bergrücken des Mont Salève, davor erstrecken sich Felder, grüne Wiesen und Gemüsegärten. Diesen atemberaubenden Blick genießen die Bewohner dieses 2021 fertiggestellten Projekts. Archiplein und Gilles Perraudin haben 2016 den Wettbewerb zur Errichtung von zwei Wohnhäusern im grünen Gürtel von Genf gewonnen. Den Wettbewerb hatte damals die Gemeinde Plan-Les-Ouates ausgeschrieben. Diese ist nun sowohl Auftraggeberin als auch Besitzerin dieser besonderen Häuser.

68 Wohneinheiten, die sowohl zur Miete als auch zum Kauf angeboten werden, finden hier Platz. Außerdem ist im Gebäudekomplex auch sozialer Wohnbau integriert. Doch das Besondere an diesem Bauprojekt erschließt sich erst bei genauerem Hinsehen. Sandfarbene Steine finden sich an der Fassade und in den Innenräumen wieder. Das ist kein Zufall.

Foto: © Leo Fabrizio
Foto: © Leo Fabrizio

Massive Bauweise aus Stein

Denn die zwei Häuser – jeweils bestehend aus einer niedrigeren und einer höheren Gebäudehälfte – sind aus solidem Stein gebaut. Was simpel wirkt, soll aber den Beweis erbringen, dass auch ein Projekt dieser Größe nur mit den Materialien Stein und Holz umgesetzt werden kann. Dahinter steckt ein starkes Konzept, das den ökonomischen Faktor nicht aus den Augen verliert. Das Ziel der Architekten ist es, die technische, wirtschaftliche und ökologische Machbarkeit von Großbauprojekten in massiver Stein- und Holzbauweise zu demonstrieren.

Für die Umsetzung wurden 9.000 Steinblöcke aus der Region verbaut. Besucher und Anwohner können die Spuren der Säge sehen, die die Blöcke zerteilte. Denn die Steine wurden möglichst in ihrem rauen Zustand belassen und wenig bearbeitet. So können auch bei jedem der Steinblöcke die Spuren der jahrtausendelang einwirkenden Naturgewalten, welche die Steine formten, entdeckt werden.

Zurzeit lässt sich in der Architektur der Trend beobachten, dass Bauen mit natürlichen Materialien wieder zunimmt – eine erfreuliche Entwicklung vor dem Hintergrund von Umwelt- und Klimakrisen. So ist zukunftsorientiertes, ökologisches Bauen auch der Ansporn für Archiplein. Die massiven Steinmauern bilden das Tragwerk des Gebäudes. Die Architekten nutzen den dämmenden Effekt der Steine, um die zunehmende Hitze in der Genfer Region draußen zu halten. Die thermische Trägheit ist optimal. Das bedeutet, dass es länger dauert, Temperaturveränderungen von außen aufzunehmen und auch im Winter Heizungswärme innen länger zu halten.

Dadurch bieten sie in den Innenräumen außergewöhnlichen Nutzungskomfort und angenehme Temperaturen. Die Architekten erzählen außerdem, dass Besucher, die vor dem Gebäude stehen, immer wieder erstaunt die cremefarbenen Steinmauern berühren, die im Sommer trotz hoher Temperaturen kühl bleiben.

Foto: © Leo Fabrizio
Foto: © Leo Fabrizio

Strenge und Ordnung von Archiplein und Gilles Perraudin

Understatement wird bei diesem Gebäude groß geschrieben. Die dezente Steinfassade entfaltet ihre Wertigkeit erst auf den zweiten Blick. Im ganzen Gebäude ist die Architektursprache bewusst einfach und rational gehalten. Materialien und Form sollen sich ohne stilistische Kunstgriffe klar und ablesbar miteinander verbinden. Allen ornamentalen Elementen liegen teils technische Notwendigkeiten zu Grunde. Zum Beispiel wird das Gesims in der Fassade benötigt, um Regenwasser von der steinernen Außenwand abzuleiten. Dadurch wird ein Schattenwurf erzeugt, der die Unterteilung der Geschosse subtil unterstreicht. So wird das Gebäude visuell gegliedert.

Auch die negativen, „nach innen geknickten“ Gebäudeecken im Stein erzeugen einen Schattenwurf. Dieser erinnert an Säulen und geben dem Bauwerk eine fast klassische Anmutung. Das ist ebenfalls ein Spiel mit der Optik, denn Säulen, seit der Antike als tragende Elemente bekannt, sind gar nicht vorhanden, sondern nur ein Schatten. Allerdings trägt auch dieses Ornament zur ruhigen, visuellen Ordnung des Gebäudes bei.

Foto: © Leo Fabrizio
Fotos: © Leo Fabrizio
Foto: © Leo Fabrizio

Komfort im Inneren

Im Inneren bestechen die Wohnräume mit einer minimalistischen und zeitlosen Ausstattung. Auch hier sind die Steinblöcke sichtbar als Gestaltungselement platziert. Die tragenden Wände wurden bewusst nicht verputzt und verbinden dadurch innen und außen miteinander. Vor allem hier tritt die erhebliche Größe der Steine mit ihrem liegenden Format von 190 x 80 cm in Erscheinung. Durch den minimalen Farbkontrast mit Parkett und Holzfensterrahmen sowie den hell verputzen Decken entsteht ein angenehm ruhiges Wohngefühl. Die warmen Töne des Holzes harmonieren perfekt mit den cremefarbenen Steinen.

Durch die großen bodentiefen Fenster fällt viel Tageslicht auf das Parkett, und der Blick schweift weit hinaus in die grüne Landschaft. Der Grundriss ist bewusst offen gehalten, um die visuelle Verbindung nach draußen optimal zu nutzen. Auch hier gibt es wieder ein besonderes Detail, das die nach innen geknickten Ecken der Außenmauer zitiert. Die hölzernen Rahmen der Balkontüren bilden ebenfalls eine „negative Ecke“.

Dass diese beiden Wohnhäuser nicht ohne jeden Bezug auf die sprichwörtlich grüne Wiese gebaut wurden, wird in jedem Detail deutlich. Die lokalen Steine, die durch Naturgewalten geformt wurden, rahmen den Blick auf den Genfer Hausberg. Von den Balkonen aus wirken Wiesen und Berge wie ein riesiges Landschaftsgemälde. Innen und außen sind bei diesem Projekt wahrhaft miteinander verbunden.

Sichtbeton statt Stein verwendet der Architekt Andreas Gruber inmitten der Tuxer Alpen. Wie das aussieht? Sehen Sie hier: Viktoria-Haus

Blick aus der Vogelperspektive auf eine Stadt, im Vordergrund Feld und Bäume, dahinter mehrstöckige Wohnhäuser. Archiplein und Gilles Perraudin, Wohnhäuser Plan-Les-Ouates, Foto: Adrien Buchet
Fotos: Adrien Buchet
Blick auf zwei mehrstöckige, helle Wohnhäuser mit flachem Dach, dazwischen ein Platz mit betoniertem Weg und ein paar Bäumen, im Hintergrund ein Bergzug. Archiplein und Gilles Perraudin, Wohnhäuser Plan-Les-Ouates, Foto: Adrien Buchet
Blick auf ein achtstöckiges Wohnhaus mit Fassade aus hellem Stein und flachem Dach, im Hintergrund Felder, Bäume und ein Bergzug. Archiplein und Gilles Perraudin, Wohnhäuser Plan-Les-Ouates, Foto: Adrien Buchet
Schräger Blick auf zwei mehrstöckige Wohnhäuser mit heller Steinfassade, davor Wiese mit mehreren kleinen Bäumen und eine Straße. Archiplein und Gilles Perraudin, Wohnhäuser Plan-Les-Ouates, Foto: Adrien Buchet
Blick auf zwei mehrstöckige, unterschiedlich hohe Wohnhäuser mit weißer Steinfassade. Archiplein und Gilles Perraudin, Wohnhäuser Plan-Les-Ouates, Foto: Adrien Buchet
Schräger Blick auf zwei Wohnhäuser mit heller Steinfassade, das vordere Gebäude ist am rechten Bildrand angeschnitten, im Hintergrund zeichnet sich ein Berg ab. Archiplein und Gilles Perraudin, Wohnhäuser Plan-Les-Ouates, Foto: Adrien Buchet
Scroll to Top