22.02.2016

Öffentlich

Allgemeinplätze, Abkürzungen und scheue Rehe

Schönheit ist ein scheues Reh – man schafft sie nur

Schönheit ist ein scheues Reh – man schafft sie nur, wenn man sie nicht anstrebt.* frei nach Rem Koolhaas

 

Schönheit also. Der Ruf danach ist in indirekter Proportionalität zur gebauten Wirklichkeit omnipräsent. Der Wille danach bei uns Architekten ebenso. Vermutlich mehr als jemals in den letzten Jahren zuvor. Und unter uns jungen Architekten ist die Schönheit dabei zu einem Wert an sich geworden. Und falls wir diese nicht im Großen – also in großen Bauprojekten erreichen können – natürlich weil wir erstens gar keine auf dem Tisch haben und weil zweitens die harten Investorenbrüder eh alles kurz und klein hauen, was nur entfernt nach Schönheit riecht – (vom großen Schönheitszerstörer DIN-Norm noch ganz abgesehen), dann machen wir das ganze also im Kleinen. Dann überlegen wir uns etwa einen wunderschönen Tischbock oder bauen ein Baumhaus oder sonst was Randständiges (eigene Versuche mehr als eingeschlossen!) – zelebrieren das Einfache und das Handwerkliche und alles darf – ja muss ganz fein sein. Oder wir beglücken im schlimmsten Fall mal wieder halb Afrika mit unserer Vorstellung von ursprünglicher Schönheit und lassen dort Schulen bauen. Die Fronten sind so klar wie verwirrend. Die Sehnsucht nach dem schnellen Schön so anziehend wie ein schneller Drogenrausch. Und die Bärte sind dabei immer schön frisch frisiert. Na und? Ich denke das hilft uns nicht weiter. Wir sollten die Schönheit eigentlich im Machen so gut wie vergessen – und das alberne Konzept der Authentizität sowieso. Wir sollten über alles andere sprechen – aber keinesfalls über Schönheit. In einem fast meditativen Prozess sollten wir uns darin üben Stück für Stück immun dagegen zu werden. Ja wir sollten zu regelrechten Widerstandskämpfern gegen das schnelle Schöne werden. Zu wahren Schönheitsverweigerern. Wir sollten uns auf die bösen zeitgenössischen Bedingungen einlassen und unseren nostalgischen Trieben nicht mehr so rückhaltlos vertrauen.

Herrmann Czech sagte in einem Gespräch mit Adolf Krischanitz vor ein paar Jahren, das den schönen Titel „Alles in Allem“ trägt: „Die aktuellen theoretischen Begründungen von Ornament, von Atmosphäre sind mir ja suspekt. Markieren sie nicht bloß – ebenso wie der »News-Wert« der Stararchitektur, wie die Strategien von »Theming«, »Branding«, »Imaging« und die damit verbundene Blödmacherei – den Eintritt der Architektur in die Kulturindustrie? Versuchen sie nicht, Architektur von der Konsumtion statt von der Produktion her zu denken, was eine Definition von (unfreiwilligem) Kitsch ist?“ und weiter „Es ist die Frage wie »Architektur die Vereinigung aller Dinge zu einem einzigen Wesen« werden kann (Zitat Adolf Krischanitz): Enthält sie die Welt eher durch Reduktion oder durch Anreicherung? Ich habe bisher den zweiten Weg beschritten – gestrafft durch Auswahl.“ Lasst uns also über die Motive des Machens reden, über Bezüge, Anreicherungen, Ordnungen, über Raum, Proportionen, Brüche, über Notwendigkeiten genauso wie über geistige Verschwendung, über Strategien, Dummheit, Ironie, über Funktionen und Technik – ja auch über DIN-Normen. Den Begriff der Schönheit ersetzen wir kurzerhand durch die Begriffe der tiefgründigen Sprödigkeit und der leidenschaftlichen Langsamkeit: Denn das größte Gift und die größte Versuchung, die hinter dem Primär-Konzept der Schönheit steckt, ist die Abkürzung! Schönheit als Konzept ist was für Faule!

Und beim nächsten Mal sprechen wir über Hass – nein Liebe!
Konkret über spröde Architekturen der 60er Jahre, zum Beispiel das Münchner Osram Haus, das im Moment noch von Geflüchteten zwischengenutzt wird, demnächst aber abgerissen werden soll und einem mehr als banalen Entwurf aus dem Architekturbüro von Manfred und Laurids Ortner (zweier Revoluzzer a.D. aus den 60er Jahren) weichen soll …

Trotz immer längerer Pausen – Fortsetzung folgt also …

*Zitat / Original:
1) „Man schafft sie aber nur, wenn man dies nicht anstrebt. Sie ist ein scheues Reh. Schönheit entsteht eher zufällig als geplant.“ Rem Koolhaas in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“, 23.04.2014
2) aus Architektur ist der Unterschied zwischen Architektur, Ostfildern 2010, S. 207/208

Bild: Hank Schmidt in der Beek: Am Strand von Etretat (part) photo, framed 52,5 x 42,5 cm 2013

Scroll to Top