Alejandro Echeverri ist Architekt und Treiber einer der spannendsten urbanen Entwicklungen der vergangenen Jahre: dem Wiederaufblühen Medellíns. Jetzt tourt er mit dem Modell durch die Metropolen der Welt. Doch er weiß, wie viel in seiner Heimatstadt zu tun bleibt.
Eigentlich ist sie ja ausgetreten, die Metapher der Stadt als Körper. Doch wenn Alejandro Echeverri sie verwendet, bekommt sie eine neue Konnotation: Nicht von Venen und Arterien als Versorgungskanälen oder von dem Gehirn als Geschäfts- und folglich Entscheidungszentrum spricht der kolombianische Architekt und Stadtentwickler. Sondern von der Haut. Stadt, das ist für Echeverri erst einmal ein hautartiges Phänomen. „Es geht um die Haut der Stadt, der konkreten und verletzlichen Viertel in der Innenstadt.“ Stadt ist sensibel, Stadt ist verletzlich. Aber durch bewusste architektonische Eingriffe kann auf der Haut der Stadt etwas geschaffen werden, „das Menschen stolz macht“. Und Stolz ist für ihn ein Kernbegriff seines großen Projekts: der grundlegenden Transformation seiner Heimatstadt Medellín von der runtergerockten Drogenkapitale in eine vielfältige und vor allem lebenswerte Metropole.
Von 2005 bis 2008 führte Alejandro Echeverri das Ressort für „städtische Projekte“, so etwas wie ein Stadtentwicklungsamt in Medellín. Heute leitet Echeverri das „Center for Urban and Environmental Studies“ an Medellíns EAFIT-Universität. Vor allem aber ist er Architekt. Das Gebaute, das Urbanität Visualisierende und Strukturierende ist seine Leidenschaft. Das führt auch zu Äußerungen, die ans Gefühlige grenzen. „Wir müssen unserer Stadt mit Liebe begegnen. Dies kann die Architektur.“
Echeverri und sein Chef nahmen in den Nuller-Jahren, der damalige Bürgermeister Sergio Fajardo, Änderungen in verschiedenen Stadtvierteln vor. Sie bauten neue Brücken in Barrios wie dem extrem armen Andalucia. Sie zogen eine Seilbahn hoch, die Santo Domingo heute mit der Innenstadt verbindet. Und das alles zumindest im Fall von Echeverri und seinem Team ohne all zu offizielle Verbindungen zu einer Partei. „Wir hatten einfach unsere Ideen: Öffentlichen Nahverkehr in die armen Gegenden zu bringen; Räume öffnen; Schulen und Lernzentren bauen. Und die Menschen hörten uns zu.“ Das Resultat: Den bitteren Status als Kriminalhochburg der Welt wurde Medellín los. Den ernteten Städte wie das mexikanische Ciudad Juárez.
Echeverris Verhältnis zur Politik ist distanziert. Überhaupt „ist Politik in Medellín ein sehr fragiles Wesen“, wie er sagt. Gut und Böse, Veränderer und Behinderer von Veränderung – nicht immer lässt sich hier klar unterscheiden. Und gelöst sind die Probleme Medellíns natürlich nicht. Die Mordrate ging seit dem Jahr 2008 sogar wieder signifikant nach oben: 150 von 100.000 Menschen werden im Jahr ermordet. Mehr als die 75 vor fünf Jahren, aber deutlich weniger als die 420 von 1993, dem Jahr, in dem Pablo Escobar von Polizisten erschossen wurde. Auch das Problem der Drogenproduktion im gesamten Land ist natürlich keinesfalls gelöst. Der „War on Drugs“ der amerikanischen Regierung, darin sind sich die meisten Beobachter einig, ist gescheitert. Ein „komplett neues Denken“ fordert etwa Kolumbiens Botschafter in London, Maurizio Rodríguez, im Gespräch mit der Zeitung „The Guardian“.
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Fotos: Iwan Baan