Erster Tag in der neuen Stadt. Ein (noch) sonniger Sonntagvormittag. Jemand im Sechsten verkauft sein altes Fahrrad übers Internet. Laut Anzeige sei es „stellenweise verrostet“, aber es fährt und ein SchlossSchloss: Ist ein Mechanismus, zum Verriegeln oder Schließen einer Tür oder eines Fensters. gibt es gratis dazu. Die U-Bahn fährt mich meinem künftigem Drahtlipizzaner entgegen. Ich öffne die schwere Haustür, kurzer Smalltalk, einmal aufsteigen, passt. Ich pumpe die platten Reifen auf und die Erkundungstour beginnt. Weit muss ich nicht fahren bis ich die erste Sehenswürdigkeit entdecke. Ich bleibe für einen Moment mit meinem Fahrrad stehen und staune über das Haus des Meeres, welches sich in einem Flakturm aus dem zweiten Weltkrieg befindet.
Ich fahre weiter, biege zweimal ab und treffe ganz unvermittelt auf das MajolikaMajolika: Eine keramische Glasur, die auf Terrakotta oder Keramik aufgebracht wird. Sie zeichnet sich durch eine glänzende Oberfläche mit lebendigen Farben und Mustern aus. Haus des wohl bedeutendsten Architekten Österreichs. Und plötzlich sehe ich Otto Wagner überall. Ich fahre an den für Wien so typischen grünen Wagner-Stadtbahn-Geländern vorbei. Diese ursprünglich hell beigefarbenen GeländerGeländer: Eine Konstruktion aus Stäben oder Stäben und einem Handlauf, die auf Treppen oder Balkonen verwendet wird, um Sturzgefahren zu verhindern. erhielten erst während der Restaurierungbezeichnet die wissenschaftliche und handwerkliche Wiederherstellung von Kunst- und Kulturgütern. Dabei wird versucht, den ursprünglichen Zustand des Objekts möglichst originalgetreu wiederherzustellen und dabei dessen Geschichte, Materialität und Formgebung zu berücksichtigen. nach dem zweiten Weltkrieg ihre – fälschlicherweise als „Otto-Wagner-Grün“ bezeichnete – Farbe. Noch wenige Meter und ich befinde mich vor der Wagner Stadtbahn Station Karlsplatz. Ich schiebe mein Fahrrad weiter und begrüße mit Freude die Nachbarn: die Karlskirche, das Gebäude der Architektur Fakultät der TU Wien, und das Secessionsgebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ich fahre mit dem Rad weiter auf den Ring, der den ersten Bezirk umschließt. Hier gibt es einen mit Bäumen gesäumten Weg extra für Fußgänger und Radfahrer. Bei der Staatsoper biege ich ab, und stehe plötzlich vor der Rolltreppe, die zum Eingang der Albertina führt. In diesem Kunstmuseum im ersten Bezirk kann man sich die Best Ofs der Kunstgeschichte zu Gemüte führen. Ich staune, wie kurz die Wege in dieser Stadt sind und fahre weiter.
Die skandalöse Nackte
Fiaker kommen mir entgegen. Ich bin kurz vor der Hofburg. Bevor ich das Ziel, den Stephansdom im Herzen der Stadt, erreiche, werfe ich mich – wie jede gute Architekturstudentin – zuvor jedoch vor dem Haus am Michaelerplatz von Adolf Loos auf die Knie. Dieses für 1909 skandalös nackte Haus direkt gegenüber der kaiserlichen Hofburg war ein Dorn im Auge des Kaisers und eine große Errungenschaft der Wiener Moderne. Es beginnt zu regnen. Zum Glück ist es vom Michaelerplatz aus nicht weit bis zum Dom. Ich trete kurz in die Pedale, und das gotische Gotteshaus steht vor mir. Von hier aus fahre ich in meine Wohnung in den Dritten. Durchnässt, aber glücklich über das Erlebte, stelle ich mein Fahrrad ab und freue mich darauf, morgen mit dem Rad ins Büro zu fahren.