08.06.2023

Wohnen

Geöffnet: Von der Remise zum Wohnhaus

Beton Einfamilienhaus Holz
Buchner Bründler Architekten bauten eine Remise in Basel um. Foto: © Maris Mezulis
Buchner Bründler Architekten bauten eine Remise in Basel um. Foto: © Maris Mezulis

Lust an Material, Licht und Kubatur beweisen Buchner Bründler Architekten beim Umbau einer Remise in Basel. Durch mutige Eingriffe wird das Gebäude in der Missionsstraße bewohnbar. Vor allem ging es darum, Tageslicht in die Innenräume zu holen.


Ehemalige Remise

In unmittelbarer Nähe zum Spalentor ziemlich prominent gelegen, befindet sich ein parkähnlicher, von der Straße abgeschirmter Innenhof. Auf dem Grundstück befand sich einst eine Villa, die zum Beginn des 20. Jahrhunderts zugunsten der heutigen Randbebauung abgerissen wurde. Die zur Villa gehörende, 1880 erbaute, Remise wurde erhalten. Das ursprüngliche Dienstgebäude war durch eine massive Bruchsteinmauer in einen Nutzbereich mit Stallungen, Kutschenraum und Heuboden und einen Wohnbereich für die Bediensteten getrennt. Die Gebäudesubstanz wurde im Zuge der Umnutzung nicht verändert und bildete eine der Herausforderungen für den Umbau der Remise zum Wohnhaus.

Foto: © Marius Mezulis
Die Gebäudesubstanz der Remise blieb erhalten. Fotos: © Maris Mezulis
Foto: © Marius Mezulis

Haus in Haus

Bedingt durch zweiseitige Brandmauern, an die die Remise im Südosten und Südwesten anschließt, erhalten ihre Innenräume kaum direktes Tageslicht. Licht in ein Gebäude zu holen heißt, dieses zu öffnen. Die Tragstruktur der Remise, die massive Bruchsteinmauer und die beiden Brandwände machten diesen einfachen Grundsatz für Buchner Bründler nahezu unmöglich. Eine Art „Haus in Haus“ System, quasi ein Neubau innerhalb der alten Mauern, bot die Lösung.

Die Obergeschosse, ausgeführt in hellem Beton aus Kalkzement, lasten auf vier Betonstützen. Diese stehen jedoch nicht in den Ecken des Gebäudes, sondern weiter mittig vor den Wänden. Zwei Unterzüge verbinden diese Pfeiler miteinander und bilden dabei die Form eines lateinischen Kreuzes. Die Balkendecke des Erdgeschosses wurde ebenfalls durch eine dicke Schicht Aufbeton zur Hybriddecke ertüchtigt. Durch Bauteilaktivierung und das Schleifen des Betons entstanden robuste und ansprechende Böden. Die neue Tragstruktur erscheint mit ihren markanten Stützen und Trägern wie ein überdimensionaler Tisch, der das Haus von innen trägt – einschließlich des Betonkamins, der von der Decke in den Wohnraum hinabhängt.

Foto: © Marius Mezulis
Die Fensterrahmen sind aus Eichenholz. Fotos: © Maris Mezulis
Foto: © Marius Mezulis

Offene Raumkomposition

Am Querschnitt dieser Decken lässt sich in gewisser Weise die Haltung des gesamten Entwurfs ablesen: Das Gegebene nutzen, erhalten, sichtbar machen – aber auch radikal eingreifen, wenn es nötig ist. Buchner Bründler reagieren mit einer offenen Raumkomposition auf die ungünstige Lichtsituation. Das neue Tragsystem lässt eine Vielzahl situativ geformter Räume entstehen. Die Geschossdecken weichen in den beiden „hinteren Ecken“ der Remise diagonal von den Außenwänden zurück, wodurch zwei dreieckige, gebäudehohe Atrien entstehen. Ebenfalls dreieckige Dachfenster belichten die Atrien von oben, sodass sie wie Lichtkanäle wirken. Die massive Bruchsteinmauer wird durch einen kreisrunden, zweigeschossigen Einschnitt geöffnet und so die beiden Teile des Hauses zu einer Einheit zusammengefügt.

Foto: © Rory Gardiner
Fotos: © Rory Gardiner
Foto: © Rory Gardiner
Foto: © Rory Gardiner
Foto: © Rory Gardiner
Foto: © Rory Gardiner

Zusammenspiel verschiedener Formen

Das Kreismotiv übertragen Buchner Bründler in die Fassade: In der Giebelfassade des Wohntrakts ist ein großes Bullaugenfenster eingelassen. Im ehemaligen Stall wurden die bestehenden Fassadenöffnungen vergrößert und Neue ergänzt. Die Kurzseite der ehemaligen Remise wird durch eine Doppelschiebetür, deren Sturz mit Führungsschiene über die Hauptfassade in den Gartenraum reicht, großzügig geöffnet. Trotz vieler Eingriffe und verschiedener Formen wirkt die Fassade harmonisch. Die charakteristische Erscheinung des historischen Zementsteins wird von den Fensterrahmen aus Eichenholz verstärkt, eine harmonische Kombination aus alt und neu. Das Dach wurde erneuert und gemäß der Historie wieder mit Schiefer eingedeckt.

Foto: © Rory Gardiner
Das Gebäude ist zum Garten großzügig geöffnet. Fotos: © Rory Gardiner
Foto: © Rory Gardiner

Beton, Naturstein & Holz

Die unterwarteten Perspektiven und überraschenden Durchblicke, die durch die Öffnung der Raumstruktur entstanden sind, sorgen für eine gewisse Spannung zwischen den Innenräumen. Sie sind geprägt durch Sichtbeton, glatt verputzte Flächen, geschlämmte Natursteinoberflächen sowie Tannen- und Eichenholz. Diese Elemente verleihen der alten Remise einerseits eine haptische wie lebendige Materialität und eine angenehme Raumatmosphäre, andererseits erzeugt das Zusammenspiel weitgehend unbehandelter Materialien einen ruppigen Charme, der die Vergangenheit des Gebäudes widerspiegelt.

Foto: © Marius Mezulis
Fotos: © Maris Mezulis
Foto: © Marius Mezulis
Foto: © Marius Mezulis
Foto: © Marius Mezulis

Wieso Einfamilienhaus?

Buchner Bründler folgten mit ihren Interventionen dem Charakter der alten Remise und versuchten so viel Substanz wie möglich zu erhalten und spürbar zu machen. Trotz des gelungenen Umbaus stellt sich zu Zeiten der Wohnungsnot die Frage, ob das Bestandsgebäude mit seinen rund 400 Quadratmetern Geschossfläche statt zum Einfamilienhaus nicht zum Zuhause von viel mehr Menschen hätte werden können. Ein starkes Argument dagegen waren sicherlich die enormen Abstriche an der Wohnqualität bedingt durch die Nordausrichtung, zweifelhaft zudem, ob der Altbau seine Qualitäten noch so hätte ausspielen können.

Umpauprojekt in Porto: Das portugiesische Büro OODA sanierte ein verfallenes Wohnhaus und verwandelte es in ein modernes, dennoch traditionelles Gebäude.

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